Auch hier: Bundesjugendspiele

Selbstverständlich habe ich die Petition zur Abschaffung der Bundesjugendspiele sofort unterschrieben. Das war ich mir schuldig. (Wenn es eine zeitversetzte Parallelwelt gibt, dann sitzt jetzt eine kleine (sagen wir: elfjährige) Dorothee schluchzend hinter der Umkleide, weil sie wieder keine Urkunde bekommen hat und flüstert: Danke, dass du das unterschrieben hast! Und alle so: *mitheul*!)
Und genauso selbstverständlich ist mir sonnenklar, dass die Petition (hier ein sachliches Interview mit der Initiatorin) nicht den Hauch einer Chance auf Erfolg hat. (Dafür gibt es noch immer zuviele Menschen, die glauben, dass gute Leistung nur durch Druck und Zwang entstehen kann, egal in welchem Bereich, und die eine verpflichtende Teilnahme mit anschliessender öffentlicher Demütigung gar nicht als Problem wahrnehmen.)

Warum sonst also habe ich das unterschrieben?
Natürlich zum einen aus der eigenen Erfahrung heraus. Die Bundesjugendspiele waren für mich furchtbar. Allerdings waren sie das erst nach ein paar Jahren. Denn natürlich bin ich wie jedes Kind mit Spaß an der Bewegung in meine „Sportkarriere“ und die ersten BJS gestartet. Nach einigen Malen öffentlicher Blamierung hatte aber auch ich endlich gelernt: Du kannst dich anstrengen, soviel du willst, du kannst es niemals schaffen. Untermauert wurde dieser Eindruck durch die fragwürdigen Methoden einiger Sportlehrer (der beste Sportlehrer, an den ich mich erinnere, war jener, der mich vollkommen ignorierte und mich daher eben auch nicht vor der Klasse fertigmachte, tiefempfundenen Dank dafür). Es brauchte also nur ganz wenige Jahre Sportunterricht und Bundesjugendspiele um die kindliche Freude an der Bewegung umzukehren und zu dem zu zementieren, was auch heute noch meine Einstellung zum Sport bestimmt: Sport ist demütigend und eine Qual. Lass mir die Ruhe mit dem Mist. Schade.
Ich beneide wirklich die Menschen, die es schaffen, durch egal welchen Sport Glückshormone freizusetzen und ja, ich habe es oft und ernsthaft versucht. Aber das einzige was körperliche Anstrengung bei mir freisetzt sind negative Gefühle, wobei „was mach ich hier eigentlich für einen Scheiß“ noch das harmloseste ist. Mein Hirn hat diese enorme innere Ablehnung vollkommen assimiliert und widersetzt sich seit vielen Jahren erfolgreich jedem Versuch der Umprogrammierung. Das hat natürlich eine Vielzahl von Gründen, aber Bundesjugendspiele und Sportunterricht stehen auf der Liste ganz weit oben.

Es ist allerdings zum Glück nicht so, dass ich meinem Sohn diese Art der Demütigung ersparen müßte. Auch an seiner Schule gibt es Bundesjugendspiele, aber die Sportlehrerinnen dort sind freundlich, einfühlsam, motivierend und schaffen es, auch unseren tendenziell eher bewegungsunlustigen Sohn (der Apfel fällt nicht weit…) die Freude an der Bewegung nahe zu bringen. Und da er noch nie (weder zuhause noch in der Schule) an seinen Leistungen gemessen wurde und es hier keinen Erziehungsmist gibt wie „stell dich nicht so an“, „da musst du jetzt durch“ und „dashamwirimmerschongemacht“ deshalb braucht er auch vor den Bundesjugendspielen keine Angst zu haben. Was er für eine Urkunde bekommt, ist ihm noch herzlich egal, er macht einfach gerne mit und freut sich. (Für alle kommenden Bundesjugendspiele hoffe ich, dass wir unserem Sohn genügend Selbstbewusstsein mitgegeben haben, dass er auch weiterhin seinen eigenen Wert nicht an der Punktzahl auf irgendeiner blöden Urkunde bemißt und sie daher auch nicht als demütigend wahrnimmt.)
Trotzdem habe ich unterschrieben, damit die Petition genau da landet, wo sie jetzt gelandet ist: in der öffentlichen Wahrnehmung. Ich bin schon Anfang der Woche darüber gestolpert und war, wenn ich mich recht erinnere, unterhalb der ersten tausend Unterzeichner. Inzwischen sind es 16.000 und es gab sogar in unserer Lokalzeitung Berichte darüber- umso besser. Ich wünsche mir eine sachliche Diskussion über Sinn und Unsinn der Bundesjugendspiele, durchaus verbunden mit einem kritischen Blick in die Vergangenheit als Reichsjugendwettkämpfe und der Frage, welche Bedeutung diese Form des sportlichen Wettkampfs besonders in diesem Zusammenhang heute noch haben soll. Außerdem wünsche ich mir eine Diskussion über die Zukunft: warum keinen (verpflichtenden!) Sporttag mit einem breitgefächerten Angebot verschiedener vor Ort ansässiger Vereine organisieren? Raus aus diesem starren Konzept von Laufen, Werfen, Springen, hin zum Ausprobieren, was macht mir Spaß, wo bin ich gut?
Und bitte, weg mit der albernen Unterschrift des Bundesaugustpräsidenten auf den Urkunden. Warum nicht mal prominente Paten finden, die den Kindern auch was bedeuten? In diesem Jahr unterschreibt vielleicht mal Bastian Schweinsteiger die Teilnehmer(für alle!)urkunden, im nächsten vielleicht Betty Heidler?

Noch ein Wort zu zwei Argumenten der Bundesjugendspiele-Befürworter:
„Da mussten wir alle durch“ ist das beschissenste Argument der Welt. Es hat ungefähr die gleiche Qualifikation wie „dashammerimmerschongemacht“ und wer das sagt, den jage ich höchstpersönlich zu seinen Vorfahren, den Affen, auf den Baum, wo sie offensichtlich gerne sitzen und Bananen futtern möchten. Da wären wir nämlich alle noch, wenn das jeder denken würde.

Und zu den Kindern, die das angeblich so toll finden mit dem Wettbewerb und die sich ja angeblich unablässig mit anderen messen wollen:
Hör zu, Holzkopf: Ja, Kinder machen mal ein Wettrennen, freuen sich unbändig, wenn sie ein Tor schiessen oder im Basketball gewinnen, aber niemals kämen Kinder auf die Idee von großangelegten Wettbewerben mit Punktvergabe, öffentlichen Be- (und Ab)wertungen etc. Das ist ein durch und durch erwachsenes Konzept und wird auch nur durch Erwachsene indoktriniert. Kinder wollen spielen und lernen und am liebsten spielend lernen und nicht ständig andere fertig machen. DAS haben sich Erwachsene ausgedacht!
Kinder, die sich dennoch ständig im Wettbewerb mit anderen Kindern sehen (und davon kenne ich zum Glück nur wenige), haben dagegen möglicherweise schon verinnerlicht, dass sie rein als Person wertlos und nichtsnutzig sind und Liebe und Wertschätzung nur gegen gute Leistungen erfahren. Da haben ehrgeizige Erwachsene offensichtlich schon einiges kaputtgemacht und das ist ein echtes Drama.

Im übrigen müsste man ja nur mal anfangen, eine ähnliche Veranstaltung zum Beispiel im Bereich Mathematik zu etablieren. Jährlich, verpflichtend und mit öffentlicher Wertung versehen.
Herzlichen Glückwunsch, Konstantin hat mit soundsoviel Punkten im Mathewettbewerb eine Ehrenurkunde erhalten, unterzeichnet von Stephen Hawkins und hier, für die Schantalle und den Kevin gibt es eine Teilnehmerurkunde, unterschrieben von Daniela Katzenberger.
Oh, Mist. Gut, dass es keine Parallelwelten gibt, die kleine Dorothee fängt nur bei dem Gedanken an Mathematikwettbewerb schon wieder an zu heulen.

Bücherwurmhölle

Pünktlich zwischen dem Welttag des Buches und der Frankfurter Buchmesse ist es raus: Ich komme in die Hölle. Und zwar in die Bücherwurmhölle, in der man vor jedem Buchstaben des Alphabets tausendfach Kotau machen muss, nachdem man ihn genauso oft blankpolieren musste, selbstverständlich ohne jemals ein vernünftiges Wort, geschweige denn eine Geschichte, zu lesen zu bekommen.

Wenn man den Familienlegenden glauben darf, konnte ich schon vor der Einschulung lesen, keine Ahnung ob das stimmt aber jedenfalls habe ich schon sehr früh sehr viel (und schnell) gelesen. Nachdem ich alle Kinder- und Jugendbücher in meiner Reichweite inhaliert hatte, las ich mich durch die Bücherregale meiner Onkel, die leider nicht mit allzuviel „Literatur“ bestückt waren. Eher mit den zwangsweisen Quartalszusendungen des Bertelsmann-Bücherclubs (warum die da Mitglied waren, weiß der Himmel. Gekauft haben sie da jedenfalls recht selten, gemessen an dem Mist, der da ins Haus geschneit kam. „Da sie keine Bestellung getätigt haben, senden wir ihnen heute eine Auswahl unserer Bestseller zu, viel Spaß damit“. Ich bin wahrscheinlich die einzige Minderjährige der Republik, die sich mit neun schon durch sämtliche Konsalik (!) und Simmel (!!) Romane gelesen hat. Aus purer Verzweiflung! (Wäre genügend Goethe, Heine und Brecht im Haus gewesen, dann wäre das Unglück möglicherweise noch zu verhindern gewesen, aber so? Miese Grundlagenbildung.)
Wo war ich?
Ach ja, die Bücher. Immerhin hat doch ein Teil meiner umfangreichen Familie versucht, in punkto Kinder- und Jugendliteratur zu retten was zu retten ist, und mir zu sämtlichen Geschenkgelegenheiten Bücher geschenkt. Eine Komplettausgabe von Selma Lagerlöf, fast alles von Astrid Lindgren (wo zum Teufel, sind die alle hin?), vieles, was ich leider vergessen habe (ach, nee, kennt jemand „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig?“ Cooles Buch!) und natürlich Michael Ende. Da braucht man ja eigentlich gar nix zu zu sagen, den Mann habe ich ja hier schon mal lobend erwähnt und natürlich zog auch Jim Knopf zeitnah in mein Bücherregal ein, genauer: Weihnachten 1976. (vom Professor)
Die Begeisterung für Bücher versuche ich auch meinem Sohn zu vermitteln, (ich möchte betonen: allein auf weiter Flur, denn der andere Erziehungsberechtigte hält Bücher, die man nicht einschalten und scrollen kann für eine gigantische Baumverschwendung.)
und das gelingt auch in seinem Alter immer noch am besten durch Vorlesen. Abgesehen davon, dass es einfach Spaß macht, zusammen auf dem Sofa zu lümmeln und zu schmökern, habe ich dadurch wenigstens einen kleinen Einfluss auf den Lesestoff. Wer will schon freiwillig „Mia & Me“ vorlesen oder das „1000 Witze Buch“? *blärch*
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer also. Und was kann es schöneres geben, als dem Sohn genau dasselbe abgegriffene Exemplar vorzulesen, das man als Kind schon geliebt hat? Hach, mir kommen glatt die Tränen vor Rührung. *schnief*
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Ja, gut, abgegriffen ist jetzt vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck…
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„Wieso istn das so bemalt, Mama?“ „Öhm- daran sieht man eben, dass das mein Lieblingsbuch war, das mochte ich so gerne dass ich es sogar verschönert habe.“
*hust*
Hab ich tatsächlich öfter gemacht, fürchte ich.
Es ist zum Beispiel auch so, dass ich auch heute noch als Lesezeichen IMMER Eselsohren in die Seiten mache. Ein schöneres Kompliment kann man einem Buch doch nicht machen, als es vollständig in Besitz zu nehmen und als Eigentum zu kennzeichnen, finde ich. (Es sei denn, es ist Scheiße. Oder ausgeliehen, da mache ich das natürlich nie! Also, nur ganz selten und dann ganz aus Versehen *gulp*).
(Ich frage mich allerdings, wieso ich nicht auch die vielen Druckfehler angekreuzt habe. Ich habe schon zehn oder so gefunden in der Ausgabe, scheinbar war damals meine interne Rechtschreibprüfung noch nicht aktiviert…)
Was will ich eigentlich erzählen?
Ach ja. Gestern abend. Der kleine Grottenolm hat das Buch schon auf dem Schoß, blättert ein paar Seiten vor und beginnt zu lachen: „Li Si ist doof. Du Kaiser bist doof. Jim ist doof. Frau Waas ist doof. Herr Ärmel ist doof.“
„Hallo? Also bitte! Das Buch ist ja wohl nicht doof, was ist denn mit dir los??“
„Nix ist mit mir los- das hast DU alles hier hingeschrieben!“
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Ähem.
Als nächstes lesen wir „Die unendliche Geschichte“. Die ist kaum bemalt.

Ich komm nicht mehr nach

mit Rumsen. Mit Nähen bin ich eigentlich ganz gut bei, aber ich schaffe es einfach nicht, das jeden Donnerstag zu rumsen, irgendwie hab ich da grad eine Psychosperre oder so, was weiß ich, egal.
Heute hab ichs aber mal wieder geschafft.
Ja, gut, soo viel habe ich jetzt auch nicht für mich genäht, weil Stoff kostet ja Geld und das ist ja nun zu allem Unglück nicht ganz unendlich, zumindest in diesem Haushalt nicht. Dafür leben wir in anderen Bereichen zu gut und bestellen seit neuestem sogar bei Fernsehstars unsere Wurst *hust* vollkommen verrückt, das. (Aber lecker, ehrlich!)
Wo war ich? Ach ja, Rums. Meine Lieblingspatentante hatte mich erpresst gebeten und ich musste durfte ihr ein TShirt nähen in einer vollkommen ungewohnten Größe, also quasi ein Puppenshirt, putziges Dingelchen:
Shelly Resi
Eine Shelly von Jolijou in Größe S mit leichter Tendenz zu M in der Länge. Ich sag ja, putzig.
Da ich das Nähen von so winzigen Damenkleidungsstücken aber nicht gewöhnt bin, hatte ich natürlich zu viel Stoff gekauft, den habe ich in ein Kanga-Kleid (in Größe L mit anderthalb cm Nahtzugabe) für mich eingearbeitet:
Kamehameha Kanga
(Komisch, wieso ist der Stuhl scharf und nicht mein Kleid??)
Liebe Andrea Jolijou Müller. Falls du das hier liest: du bist meine allerallerallerbeste Freundin. Deine Schnittmuster sind die einzigen, die in meiner Größe noch „L“ heißen und nicht, wie bei anderen Schnittmustern „XXL“ oder „Megariesengroß“. Danke.
Falls du mal in der Nähe bist und dringend einen Kaffee brauchst oder ein Taschentuch: du darfst immer bei mir klingeln. Immer.
Wo war ich? Ach ja, Rums!
Im Auto auf dem Weg zu einer Geburtstagsparty habe ich mal eben schnell eine Lichterkette gehäkelt für meine Balkondeko:
Haekellichterkette
Okay, die Party war 400 Kilometer weit weg und ich habe die Hin- und Rückfahrt gebraucht und ohne die Idee und Anleitung von Paula Matos und ihrem Label Elealinda-Design hätte ich eine Lichterkette kaufen müssen, aber sieht doch gut aus, oder? Leider gefällt mir das Teil so gut, dass ich noch mehr davon häkeln muss, für die ganze Balkonbreite.
Paulas Ebooks sind immer sehr gut verständlich, in diesem Fall war es sogar ein Freebook- vielen herzlichen Dank dafür!! Sie umhäkelt übrigens alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, Klorollen, Taschentücherboxen, Erdbeerkörbchen, also Vorsicht, wenn man sie mal persönlich kennenlernt, wer weiß, als was man endet? ? Mir würde fürs erste ihr Buch reichen, das setze ich jetzt mal auf meine Wunschliste *irgendwenliebanguck*
(Aber Paula, falls du mal einen Kaffee oder ein Taschentuch… weisse Bescheid.)

Edit: *miihihi* da hat sich jemand aber sehr lieb angeguckt gefühlt- eben klingelte die Post und brachte mir mein Häkelbuch *jippiee!* Dankeschön, du liebster aller Ehemänner!! *knuff*

Der Untergang des Abendlandes

steht kurz bevor. Aber SO kurz, ich weiß es, ich war bei der Verkündigung dabei.
Verkündet hat das die Leiterin der Grundschule meines Sohnes, als sie bekannt gab:
„Ab dem nächsten Schuljahr gibt es an dieser Schule keine Hausaufgaben mehr.“ Bääm!
Und alle so: Heul! Zähneklapper!! Kettenrassel!!! Herzlich willkommen im dritten Höllenkreis von Dantes Inferno, machen sie es sich gemütlich, hier kommen sie nicht mehr raus.

Okay, war gelogen. In Wirklichkeit hat die Leiterin das natürlich nicht so platt verkündet, in dem Shitstorm wäre sie ja glatt ersoffen. Aber sonst stimmt alles.
Unsere Grundschule arbeitet schon länger mit verläßlichem Schultag (keine Ausfallstunden! Kein späterer Schulbeginn!! Paradies!) Wochenplänen, Gruppenarbeiten, Lernfeldern statt sturem Schulbuchabarbeiten und so weiter. Die Kids haben schon seit der ersten Klasse mehr Schulstunden als eigentlich vorgeschrieben, die für lauter tolle Sachen verwendet werden. Eine Bewegungsstunde mittendrin! Büchereistunde! Musikraum! Computerraum!
In Zukunft wird nun der Schultag verlängert um noch fast eine Stunde und die damit gewonnene Zeit wird als Lernzeit für die Vertiefung und Wiederholung des Gelernten verwendet. Und zwar nicht hintendran gehängt, sondern mittendrin integriert, da wo es grade passt und hingehört und wenn die Schüler dann um zwei zuhause sind, haben sie keine Hausaufgaben mehr auf. Jippie! Freiheit! Freizeit! Spielen!
Über den Wochenplan, den die Schüler mit nach Hause bekommen, können die Eltern verfolgen, was sich in der Schule gerade tut, und dort ist auch Platz für kleine Mitteilungen zwischen Eltern und Lehrern, so bekommen die Eltern mit, welcher Schulstoff bearbeitet wird, auch ohne dass sie Hausaufgaben machen müssen. 🙂
Super, dachte ich mir. Das kann ja nur jedem gefallen- wer hat schon gerne diesen Stress, wenn noch Aufgaben zu machen sind, das Kind aber keine Lust hat? Spaß! Natürlich weiß ich, dass es mehr als genug Eltern gibt, die genau das zu ihrem Lebensziel erklären: Nachmittags via Hausaufgaben alles ausbügeln, was die inkompetenten Lehrer vormittags versauen.
Also auf zum Informationsabend, damit nicht nur Meckerer da sitzen und vorher das dicke Kettenhemd an.
Ich mag ja übrigens Elternabende und kann mit diesem ganzen Elternabends-Bashing rein garnichts anfangen. Ist doch eine feine Sache, ich sitz gerne mal auf dem Stühlchen meines Sohnes, die Lehrerin erzählt was sie in der Schule grade machen, die Eltern erzählen, was sie zuhause… nein, Quatsch, manche Eltern erzählen bissi dummes Zeuch, Teegeld, Klassenkasse, wasweißichnochalles werden bezahlt, der Elternbeirat macht die Kuchenliste fürs nächste Schulfest und alle gehen zufrieden heim, wo ich dann feststelle dass ich wieder die Hälfte vergessen hab zu fragen. Hmpf. (Gut, ich muss zugeben, hier aufm Kaff leben nicht so viele müslivegane Schickimickis, die die Inhaltsstoffe der Mittagsverpflegung bis auf die Herkunft des Salzes ausdiskutiert haben wollen, das sähe in Prenzlauer Berg womöglich ein klitzekleines bißchen anders aus, ist halt nur ein Taunuskaff, zum Glück.)
Dieser Elternabend war aber schwierig. Sehr sehr schwierig. Also, jetzt nicht einfach aufstehen zu können, dem Dösbaddel in der letzten Reihe auf die Finger hauen und sagen: Du schreibst jetzt hundertmal „Ich soll mein Kind nicht zum Lernen zwingen“, das fand ich schon schwer. Die ein oder andere Lehrkraft auch, vermute ich.
Eltern gibts…
Einer setzt sich jeden (!) Mittag mindestens (!) eine bis zwei Stunden (!!) mit seinem Kind hin und paukt alles am Tag gelernte durch. Dritte Klasse, klar. So kurz vorm Abi muss man schonmal bissi was tun, sonst wird man ja völlig abgehängt.
Ein anderer scheint einen Zahlenfetisch zu haben und rechnet genau vor, dass bei soundsoviel zusätzlichen Wochenstunden die Lehrkräfte im Endeffekt ja nur 6,5 Minuten mehr Zeit pro Kind hätten und DAS wäre ja so lächerlich, das könne man dann ja gleich bleiben lassen. Wtf?
Ein weiterer sagt allen Ernstes, das sei ja alles schön und nett, aber er könne nicht auf Hausaufgaben verzichten, da sonst die Gefahr bestünde, dass er nicht mitkriegt, wenn das Kind in der Schule absackt. Sein Anspruch an die Leistungen seines Kindes sei dann doch etwas höher als der der Schule *naserümpf*, das müsse er dann eben an den Abenden ausbügeln, da müsse das Kind dann zur Not auch mal mehr Aufgaben als gefordert machen, kommt ja sowieso zuwenig von der Schule- und jetzt auch noch ganz abschaffen? Geht gaaarnicht!
Gut, da habe ich jetzt Verständnis für, wenn ich so nachdenke. Da würde ich aber auch sowas von einem Fass aufmachen, wenn mein Sohn mit einer zwei minus nachhause käme. Oder gar einer drei! In der zweiten Klasse! Da winkt doch das Hauptschulabgangszeugnis (flüster: Liebe Tante, hast du gemerkt, dass ich nicht Dummenschule gesagt habe? *stolzgrins*) schon hämisch aus der Ferne herüber!
Okay, Kind, wo bist du? Komm sofort her, wir müssen pauken!
Kind? Kihiiind?
Mist. Am Ende hängt der schon wieder mit seinen Kumpels ab und spielt. Fährt Fahrrad. Spielt Federball. Wie, der liegt schon im Bett? Statt was Anständiges zu lernen? Sitten sind das hier!

(Wer näheres darüber wissen möchte, findet einen recht guten Artikel zum Thema im neuen Stern.)

Explora Frankfurt

Aus Gründen (Besichtigung des teilerneuerten Familienoberhaupts) machten wir uns am Donnerstag auf in die Großstadt. Wenn man zu einer solchen Reise schon mal gezwungen ist (Raus aus dem Dorf. Furchtbar!) verbindet man das dann ja gerne auch mit einem kulturellen Highlight damit sich das auch lohnt.
Da wir (also genauer gesagt: ich) die Haltung von Tieren in kleinen Käfigen weder zu Zucht- noch zu Anglotzzwecken gutheißen und abgesehen vom moralischen Aspekt bei dreissig Grad die Viecher auch noch doppelt so erbarmungslos stinken wie gewöhnlich *würg*, entschieden wir (also: ich) uns gegen einen Besuch im Zoo.
Bei solchem Sommerwetter bleibt aus Vernunftgründen sowieso nur ein Besuch im Museum, wenn man nicht im Palmengarten oder Freibad zerquetscht werden will. Man muss halt auch zu antizyklischer Freizeitgestaltung bereit sein.
Mein Konzept ging wie geplant auf: wir waren fast alleine im Explora Museum.
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Das Museum ist in einem ehemaligen Luftschutzbunker im Frankfurter Nordend untergebracht. Schon die Fahrt war die reine Freude. Quasi einmal mittendurch, an allen wichtigen Sehenswürdigkeiten Frankfurts vorbei (Eiserner Steg, Römer, Paulskirche, Zeil, Konstablerwache, das Kind bekam fast einen Drehwurm vor lauter „Schau mal hier“ und „guck mal da!“) und das fast ohne ernstzunehmenden Autoverkehr.
Im Museum selbst kann man ziemlich viele interessante und erstaunliche Experimente machen, ich zitiere mal aus dem Museumsführer:
Die Ausstellung wurde kontinuierlich erweitert und … zeigt heute auf 4 MuseumsEtagen eine weltweit einmalige Sammlung von Werken nationaler und internationaler Künstler aus den Bereichen der 3D-Fotografie, Stereoskopie, Anamorphosen, Vexierbilder sowie sog. Unmöglicher Mathematischer Figuren.
Außerdem kann die EXPLORA die größte öffentlich zugängige Holografiesammlung der Welt ihr Eigen nennen. Komplettiert wird die Ausstellung mit physikalischen mathematischen Experimenten, interaktiven optischen Illusionen, sowie mathematischen Strategie Spielen.
Da waren einige schöne Sachen drunter:
Wer bin ich, und wenn ja, wieviele?
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Huch! Und wech.
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Mein Favorit: ein Guckkastenkaleidoskop. So schöne Farben! Psychedelische Erfahrung ganz ohne Drogen. 🙂
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Ein paar von den Spielen waren knifflig.
Zu knifflig.
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Es gab viel zu entdecken und obwohl Junior letztes Jahr schon einmal hier war, wurde es ihm doch nicht langweilig.
Am Ausgang kann man sich im Loungebereich noch einen Kaffee/Kakao/wasweißich holen, bei der freundlichen Dame an der Kasse noch das ein oder andere Schnickeldi kaufen, eigentlich ein wirklich gelungener Museumsbesuch.

Aber – Hallo? Was zum Teufel, machen 3DFotos von nackten Frauenbrüsten auf Playboy-Niveau in einer Ausstellung, die vorrangig von Familien frequentiert wird?
Das fand ich ziemlich Scheiße.
Komme mir keiner und krähe „Aktbilder sind auch Kunst“- nein, in diesem Fall nicht.
Der künstlerische Wert dieser Bilder liegt ungefähr bei dem eines Leonardoglases. Einfallslose Massenware, tausendmal gesehen, nur diesmal eben in 3D. Playboyniveau halt.
Das ist SO komplett vergangenes Jahrhundert, das ich mich ernsthaft frage wie man auf die Idee kommen kann, das noch irgendwo hin zu hängen? Es sei denn man hält sich für Hugh Hefner.
Abgesehen davon finde ich, das hat nix in einer Ausstellung für Kinder zu suchen. Natürlich wird da keiner von schlagartig traumatisiert, aber es transportiert eine Botschaft über den Wert von Frauen die mir nicht gefällt. Und wenn ich mit solchem Alltagssexismus konfrontiert werde, dann muss ich mich gegenüber meinem Kind dazu positionieren.
Und deshalb geh ich da nicht mehr hin.