B wie Bereuen

Ach Gottchen, denke ich manchmal. Was hätten wir für eine Kohle zum Verblasen, wenn das Kind nicht wäre. Die Wohnung wäre locker bezahlt und zwei etwas bessere Autos täten vor der Haustür schönstehn. Aber nee, wir wollten ja ein Kind.

Wenn mich heute jemand fragt warum eigentlich, dann könnte ich diese Frage überhaupt nicht beantworten. Wie, warum? Einfach so, weil sich die Idee, ein gemeinsames Kind zu haben, eine Familie zu sein, einfach gut angefühlt hat.
Also haben wir uns ohne größere Vorbereitung in das Abenteuer gestürzt.
Und ich muss sagen, das hat bisher alles ziemlich gut geklappt mit dem Nachwuchs, dem Leben und dem ganzen Drumherum.
Ich bin völlig naiv überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass jemand die Mutterschaft bereuen könnte. Also von den gut gesettelten Müttern jetzt, die ihre Kinder lieben und Blogs lesen und Latte Macchiato trinken und Glaubulis und all das.
Für die Uneingeweihten: Da wurde letzte Woche diese Studie aus Israel durch die Medien gereicht, die von Müttern berichtet, die, ich sags mal mit meinen Worten, die Schnauze voll haben von diesem Mutterding und deshalb ehrlich und frei weg sagen: Das würde ich zurückdrehen, wenn ichs nur könnte. Ich liebe meine Kinder, aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich gegen sie entscheiden.
Gut, dachte ich mir bei dem ersten Bericht. Die hats halt blöd erwischt. Wer weiß, aus welchen Gründen diese Frauen ihre Mutterschaft bereuen. Vielleicht werden sie verkloppt vom Vater der Kinder, vielleicht würden sie lieber Karriere machen, vielleicht das ganze Geld anderweitig verprassen, vielleicht hatten sie selber eine beschissene Kindheit, was weiß ich. Tausend Gründe möglich. Außerdem sind in der Studie lediglich 23 Frauen erwähnt, das ist ja wohl das Gegenteil einer repräsentativen Studie und obwohl natürlich Einzelschicksale durchaus bewegend sind, so hatte ich jetzt doch nicht das Gefühl, die Menschheit könnte bedroht sein, also habe ich das Ding flott wieder vergessen.

In meiner Timeline tauchten aber ständig Artikel zu dem Thema auf und immer mehr und es wurden immer mehr Mütter, die über das Ach! und Weh! der Mutterschaft berichteten und so richtig aus dem Kopf gekriegt habe ich es sowieso nicht, also muss ich jetzt natürlich meinen Senf dazu geben. Und der kommt heute aus der Tube „WTF?“

Was zum Teufel ist hier eigentlich los?
Da haben ein paar wenige Mütter aus einem weit entfernten Land ein ernstzunehmendes psychisches Problem mit ihrer Mutterrolle und in den Medien und Blogs wird das zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen hochdramatisiert, geht’s noch?

Es ist ja nun nicht so, als sei das eine gefährliche gesellschaftliche Strömung in die Richtung, das plötzlich die Hälfte aller Mütter sagt, achje, weisste. Das Kind ist so ne häßliche Kackbratze, und ADHS hats auch noch, lass ma zurückgeben, konnt ich eh nie leiden. Ja, gut lieben tu ichs natürlich trotzdem, is klar.

Nein, es handelt sich um wenige Mütter, die aus vollkommen unklaren Motiven und mit völlig unklarer Anamnese diese Interviews gegeben haben, und ja, die haben ein Problem. Aus meiner Sicht ein sehr ernstes, denn ich halte es nicht für „normal“, sondern eher für pathologisch, wenn Mütter so über ihre Mutterschaft urteilen obwohl sie behaupten, ihr Kind zu lieben. Wenn meine Mutter heute allen Ernstes sagen würde sie würde mich ungeschehen machen, wenn sie das könnte, obwohl sie mich sehr liebt, dann würde ich sie erschießen. Auf der Stelle! Obwohl ich sie sehr liebe. Weisse Bescheid.
Da halte ich es eher mit Paula, die in ihrem Artikel sehr schön formuliert, dass es Dinge gibt, die sind eben so wie sie sind und dann macht man halt das Beste draus, fertig. Was nützt denn all das Gejammere über die anstrengende Mutterschaft?
NATÜRLICH ist alles anders wenn man Kinder hat. Anstrengend und anders.
Aber ganz ehrlich: Wer mit Kindern noch glaubt, dass das Leben komplett ohne jede Veränderung so weitergeht, mit Kino, Disco, Reisen, Geld und Karriere, der hat das Konzept von Familie nicht verstanden.
Zum Konzept von Familie gehört die tief verankerte Erkenntnis (und das Akzeptieren derselben!): Ich bin nicht mehr allein. Nie wieder. Es geht nicht mehr nur um meine eigene Selbstverwirklichung. Da ist ein/sind mehrere andere Menschlein von mir abhängig.
Im Idealfall hat man einen Partner (so wie ich) der sich gleichermaßen kümmert und verantwortlich für das komplette Konzept „Familie“ fühlt und in einer idealen Welt schaffen es alle Familienmitglieder, ihre Bedürfnisse zur rechten Zeit und in der richtigen Intensität zu formulieren, jeweils dem Alter angemessen natürlich. (Ein achtjähriger darf durchaus noch der Meinung sein, dass sein heiß ersehnter Playmo-Polizeiwagen SOFORT hergeschafft werden muss, ein sechsundvierzigjähriger muss auf den Lamborghini leider noch etwas warten *hust*)
Alles in allem gibt man NATÜRLICH das „Ich“ ab und tauscht es mit dem „Wir“.
Ja und???
Es ist doch verdammtnochmal überall so!

Paula sagt:
Wenn ich angestellt arbeite, bin ich in der Regel sehr unfrei in meiner Zeitgestaltung, zB. Wenn ich nicht auf einem Grundstück ohne unmittelbare Nachbarschaft lebe, bin ich nur bis dahin frei, wo die Freiheit meiner Nachbarn anfängt. Wenn ich mich in der Gesellschaft bewege, bin ich gebunden an Werte, Regeln, Normen, Gesetze. Fremdbestimmung aller Orten.

Eben. Der Chef darf uns fremdbestimmen, die Nachbarn und die Straßenverkehrsordnung auch. Aber bei Kindern geht dann das große Lamento los.
Das finde ich ganz schön unfair und egoistisch. Und ganz ehrlich: wenn ich es „wegen der Kinder“ nicht schaffe, mal in Ruhe einen Kaffee zu trinken, dann liegt das eben nicht an den Kindern. Solche Mütter schaffen das mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit (und nach meiner bescheidenen Erfahrung) auch ohne Kinder nicht, aus tausend Gründen. Weil sie nicht in der Lage sind, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, weil sie nicht Nein sagen können, weil, weil, weil, was weiß ich. Aber sicher nicht weil irgendwo zementiert ist dass man für die Kinder 24/7 bei Fuss stehen und sein eigenes Leben komplett aufgeben muss.

Amen. Ich geh jetztn Kaffee trinken.

3 Gedanken zu „B wie Bereuen

  1. Liebe Doro,
    das hast du mal wieder toll geschrieben,
    ich kann mich meinen Vorkommentatoren nur anschließen
    und eventuell noch hinzufügen, wenn alles seinen Lauf geht ,
    du am Ende auch noch mit sooooo lieben Enkeln beschenkt wirst,
    dann will ich mal fragen, war das vielleicht falsch?
    Ich wünsche dir einen tollen, nicht so nachdenklichen Tag
    und lass mir jetzt meinen Tee schmecken, denn Kaffee vertrage ich nicht.
    Liebe Grüße
    Nähoma

  2. Amen!
    das hast Du auf den Punkt gebracht.

    nicht daß ich mich manchmal auch frage, warum hast Du Kinder bekommen?
    aber die Zeit zurückdrehen und diese zwei Menschen aus meinem Leben löschen??????????
    never-ever!

    LG Agnes

  3. Also, ich bereue nichts! Ich liebe mein anstrengendes Leben mit zwei kleinen Einpersonen-Chaos Trupps. die sich gerne auch mal verbünden… Klar an manchen Tagen denke ich: Lass es Abend werden und sie im Bett liegen… Wer kennt das nicht?! Aber ansonsten hab ich dies Gefühl, dass man ein oder besser gleich zwei Wunder anvertraut bekommen hat, nicht vergessen. Und wenn diese Wunder dann noch ankommen, mich in den Arm nehmen und sagen „Ich hab dich lieb!“, kann es manchmal noch so anstrengend, hektisch und chaotisch sein, wie es will: ich bereue nichts!
    VLG Julia

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