Z wie Zusammenkunft hochmotivierter Helik..äh Schulkindereltern (eigentlich Elternabend, aber E war schon belegt)

Ich dachte, ich hätte es überstanden.
Ehrlich, ich Naivling dachte, ich wäre damit durch. Aber, um die Pointe heute mal vorweg zu nehmen: auf dem 2. Elternabend der fünften Klasse (weiterführende Schule, hurra! Das Kind ist groß! Selbständig!) schlug doch tatsächlich eine Mutter (ich möchte sie im folgenden die „Helikopterin“ nennen, mach ich aber besser nicht, wegen Wertschätzung, Mitmenschen, Nächstenliebe und dem ganzen Kram) vor, die Eltern könnten doch mal ein Klassenfest organisieren.
Klassenfest.
Moment, ich muss erst mal den Schmerz wegatmen.
Atmen…
Atmen…
Ok, geht wieder.
Leute. Es läuft doch eigentlich so: Ihr managt das mit dem Kind die ersten Jahre echt prima alleine, teilweise mit der Unterstützung irgendeines progressiven Kindergartens, und dann kommt die Schulzeit. Einschulung, erste, zweite, dritte Klasse undsoweiter und jedes Jahr kommt ihr eurem Ziel näher: die Kinder sollen endlich selbständig werden, ihren Schulkram alleine wuppen, mit Freunden abhängen, ihr Kinderzeug erledigen, was so Kids halt alles tagsüber tun müssen, Schnappschüsse via Snapchat verschicken, Pokemon vermöbeln und Bösewichte liebhaben oder umgekehrt und all das, von mir aus auch gerne Bescheid sagen wenn sie Hilfe beim Auswendiglernen der hessischen Mittelgebirge (oder niedersächsischen oder ach ihr wißt schon) brauchen, aber die grobe Richtung geht in: Do your own Thing. Und das möglichst bald.
Gut: in der Grundschule ist noch mehr Elternpräsenz gefragt. Oder sagen wir es so: die Kids finden es okay, wenn die Eltern jährlich das Klassenfest/die Weihnachtsfeier/irgendwelche Bastelkramnachmittage organisieren und stören sich nicht an der Anwesenheit der Eltern. (Ich mich schon, aber darum gehts hier ja nicht.) Höchtswahrscheinlich wären ihnen Klassenfeste ohne Eltern genauso recht, aber mach das mal so einem Helikopter klar.
Die Grundschule meines Sohnes war nicht nur von der Größe (200 Schüler! Hurra!), sondern vor allem vom Konzept her ein Traum. Keine Hausaufgaben, kein Frontalunterricht, kein stures Einbimsen von Wissen, stattdessen Lernzeit zum Wiederholen des Gelernten in der Schule, Gruppenarbeit, Projekte und vor allem Zuwendung und Vertrauen. Wie lerne ich Lernen? Wie organisiere ich mein Lernen, was kann ich, was verstehe ich noch nicht, wo brauche und wo finde ich Hilfe, und wo kann ich anderen helfen? Erfolgserlebnisse, Motivation und Selbstvertrauen statt Hausaufgabenstriche und Elterngespräche.
Mit anderen Worten: eine grundpositive Haltung zum Kind und seinen Fähigkeiten.
(Im Ernst, ich war letzten Sommer in einer Familie, da hatte das Kind nach drei Wochen 1. Klasse schon fünf (FÜNF!!!) Hausaufgabenstriche und eine Aufforderung zum Elterngespräch. What the fuck? Ich kann nicht soviel essen, wie ich….)

Das heißt: Im Gegensatz zu früher (früher: die Schulzeit meiner Eltern und teilweise auch noch meine eigene) in der bei viel zu vielen Lehrern die Schüler noch unter dem Generalverdacht standen, ohnehin nur faul! ihren eigenen Interessen! nachzugehen und ohne Disziplin! Ordnung! ständiger Kontrolle! und genügend Strafen! als kompletter Versager zu enden, haben offensichtlich sehr viele Menschen heute schon begriffen, dass anders ein Schuh draus wird. (Man bedenke: wenn alle Schüler/innen, denen vorhergesagt wurde, dass sie mit ihren schlechten Noten und ihrer miesen Arbeitseinstellung höchstens Müllmann oder Putzfrau werden könnten (eine Beleidigung für alle Entsorgungstechniker und Reinigungskräfte, aber damals war das eine sehr beliebte düstere Prophezeiung), tatsächlich diesen Weg eingeschlagen hätten, wäre es hier zwar sehr sauber, aber letzten Endes vermutlich menschenleer ohne all die anderen Berufe, die das Überleben der Menschheit sichern. Ärzte, Landwirte, Telefondesinfizierer…

Aber es gibt immer noch die, die ohne stetige Kontrolle und Überwachung ihrer Kinder nicht können. Schlimm genug, dass es keine Hausaufgaben mehr gibt. (Das Vaterland wird zugrunde gehen, WEIL ES KEINE HAUSAUFGABEN MEHR GIBT!) Im Bullshit-Bingo an erster Stelle: „Wenn ich nicht ständig hinterher wäre, würde mein Kind freiwiilig überhaupt nichts für die Schule tun“ oder „wieso kriegen wir nicht wöchentlich eine Information über den Lernstand meines Kindes?“
Ich meine: da erklärt der Klassenlehrer lang und breit das Konzept, erzählt von Vertrauen in die Fähigkeiten der Schüler, dass die Kinder motiviert sind, eine hohe soziale Kompetenz entwickeln, sich gegenseitig helfen, dass es ungewöhnlich ruhig in der Lernzeit ist und die Kinder allgemein offensichtlich sehr gut zurechtkommen in dem System und vor allem, dass die 5. Klassen mit dem neuen System in allen Arbeiten des ersten Halbjahres besser abschnitten als alle vorherigen 5. Klassen!
Und einigen Elternteilen fällt nix besseres ein, als zustimmend zu nicken und dann zu fragen, wie sie denn jetzt am besten eine genaue Kontrolle des Lernstands ihrer Kinder vornehmen können, wie sie sicher sein können, dass die Kinder auch ja alles Lernmaterial daheim abliefern und ob die Eltern denn nicht mal ein tolles Klassenfest für ihre Kinder organisieren wollen.
Haben die nix kapiert? Vertrauen? Selbständigkeit? Oh Mann.
Und ich schwöre: die sind alle in der Klasse meines Sohnes. Man muss sich nur mal die WhatsApp-Elterngruppe anschauen: Slapstick in Reinkultur! Diese ständigen Nachfragen, wer mal das Arbeitsblatt mit den Textaufgaben zuhause hat um es zu fotografieren, der Sohn hat es NATÜRLICH in der Schule „vergessen“ oder welche Seite im Englischbuch sie für die Lernzeit machen sollen oder ob jemand jetzt weiß, wann die Lernkontrolle in Deutsch geschrieben wird?
Ich bin wirklich gefangen zwischen Faszination und Abscheu. Ich meine, merken die noch irgendwas? Irgendwann, ich schwöre es, erwischt mich so eine WhatsApp auf dem falschen Fuß und ich antworte den Helikoptern: fragt doch verdammt noch mal bitte eure KINDER!
Ich dachte wirklich, die Eltern, die ihre Kinder zur Uni begleiten und ihnen die Bücher tragen, sind eine Erfindung der „Früher war alles besser“-Lobby. Sind sie nicht, ich habe sie kennengelernt. Und sie wollen ein Klassenfest organisieren. *heul*
Für die, die es vergessen haben: Klassenfest ist die Fortsetzung des *Kindergartengruppen*- (hier wahlweise *Mäuse*, *Pfützentrolle*, *Sonnensterne* oder *sonsteinbescheuerterName* einsetzen) festes. Die Erfahrung zeigt: solche Kindergartenfeste dienen lediglich zum Glänzen mit den neuesten Fingerfood-, Salat- oder Kuchenrezepten der Übermütter während die wenigen vorhandenen Männer verzweifelt Fußballergebnisse googeln und Frauen wie ich sich verfluchen, dass sie nicht wenigstens Sekt in ihre Trinkflasche umgefüllt haben. Boah, wie überflüssig ich diese „wir wollen uns alle mal kennenlernen“ Veranstaltungen finde. Am besten noch mit Vorstellungsrunde. Ich gebe hiermit bekannt: Man lernt auf solchen Events niemanden kennen. Vergesst es. Sollte es Gespräche außerhalb der Eltern-Lehrerbeziehung geben, dann nur innerfamiliär oder mit vorher schon befreundeten Eltern. Niemals lernt irgendein Elter ein anderes Elter auf einem Klassenfest kennen. No way. Selbst Parship hat hier keine Chance. Das liegt daran, das 90 % der Eltern gewzwungenermaßen dort sind und wesentlich lieber woanders wären (und das auch grinchmäßig ausstrahlen). Beim Zahnarzt oder so.
Und ganz sicher nicht auf dem Elternstammtisch, der zweiten der biblischen Plagen. Noch schlimmer! Eltern sitzen zusammen und plappern über die schulischen Belange ihrer KInder. (WhatsApp: Wir können da ja mal über das Konzept der Schule diskutieren und Verbesserungsvorschläge an den Lehrer weiterleiten. Entschuldigung? Die haben doch den Schuß nicht gehört.) Sorry, aber das ist megaübergriffig.  Es geht doch niemanden etwas an, was mein Kind für Schwierigkeiten in der Schule hat? (Wie die das wohl finden, wenn ihre Kinder später mal einen Kinderstammtisch gründen und dabei mit Augenrollen austauschen dass Muttern das Wasser nicht mehr halten kann und Vattern schon wieder die Herdplatte angelassen hat?)
Ich fasse zusammen: wenn man schon mit einer so fortschrittlichen Schule und engagierten Lehrern gesegnet ist wie wir, dann macht man vor allem eins: sich raushalten.
Ab dem 5. Schuljahr haben die Eltern meiner Meinung nach sowieso nichts mehr in der Gruppendynamik der Schulklasse ihrer Kinder zu suchen und kaspern da gefälligst nur herum, wenn sie gebeten werden und zwar von den Kindern. Egal, ob bei den Lerninhalten oder irgendwelchen Veranstaltungen.
Wie sollen die Kinder Selbständigkeit lernen, wenn ständig alles von den Eltern durchorganisiert wird? Kein Wunder, das die nix auf die Kette kriegen, wenn das immer schon so läuft.
Viel Spaß bei der Berufsausbildung. Ach nee, Studium. Die Helikopterkinder müssen ja alle auf Teufel komm raus studieren gehen.

Jetzt hab ich sie doch Helikopter genannt. Ups.

 

 

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Nochmal L, diesmal wie Lernspiel

Ich weiß jetzt, was mich Anfang November immer so attackenmäßig in die Weihnachtsstimmung drischt: es ist das panikartige Ausfüllen von sechzig bis siebzig Weihnachtswunschkärtchen für bedürftige Kinder und Jugendliche (hatte ich schonmal einen freundlichen Text zu dem Wort „bedürftig“ geschrieben? Nein? Ach, das liegt wohl daran dass mir dazu nix freundliches einfällt, grrrr!) zwischen 0 und 14 Jahren, damit nette Menschen sich ein Kärtchen vom Weihnachtsbaum abpflücken, das gewünschte kaufen, einpacken und mit guten Wünschen auf die Reise zu einem unbekannten Menschen schicken. Hach, da wird mir warm ums Herz. Und den beschenkten Kindern erst.
Blöderweise können wir unmöglich alle Kinder selbst einen Wunsch formulieren lassen, bei manchen ist es ja recht einfach, aber sehr viele sind gar nicht in der Lage, etwas zu formulieren oder es würde zu lange dauern sie zu kontaktieren und vor allen Dingen möchten wir ja keine Erwartungen wecken auf bestimmte Geschenke, die dann möglicherweise gar nicht erfüllt werden oder es kommt was ganz anderes, hatten wir alles schon, also lautet die Devise: selber machen und möglichst genau den Geschmack treffen.
Also sitze ich mit meiner Kollegin stundenlang (viele Stunden!) und überlege: was wünschen wir dem jeweiligen Zwerg? Dazu muss man wissen, meine Kollegin hat studiert und ist praktisch, aber auch theoretisch voll das Ass. Ich bin ja nur Erzieherin und grundsätzlich eher so der basisnahe Typ und überlege ganz pragmatisch: wie erzeuge ich bei einem Kind am besten den Zalando-Schrei, während meine Kollegin überlegt, wie sie den Kindern am ehesten etwas Gutes tun könnte. Also, der Kevin, der tut sich so schwer mit den Buchstaben, da wäre doch ein Lernspiel was ganz Tolles für ihn, da nehmen wir am besten die Sprechhexe. Und ich so: Nope. No Way. Der kriegt Lego Nexo Knights Lances Doppellanzen-Cruiser. Oder die Lego Super Heroes Kryptonit Mission im Batmobil.
Jedesmal derselbe Kampf. (Den ich meistens gewinne *höhö*)

Warum? Ganz einfach. Ich hasse Lernspiele. Lernspiele sind ein Widerspruch in sich, die sind langweilig, die Regeln sind vollkommen irre und vor allem sind sie so verdammt durchschaubar. Wenn ich zu so einem armen gequälten Menschenkind ein Lernspiel hinschleppen muss, dann komme ich mir immer vor die böse Hexe, die säuselt „Hier kommt die liebe Frau Tralala, die spielt mit dir ein schöööönes Spiel“ und in Wirklichkeit will ich gar nicht spielen sondern das arme Kind zum langweiligen Lernen zwingen und arrrgl, schon verfällt das Kind in katatonische Starre, aus der es erst erwacht wenn die verdammte Frau mit ihrem Lernspielekoffer wieder abgezogen ist. Pfuipfuipfui.
Wir fassen uns jetzt mal im Kreis alle an den Händen und sagen gemeinsam laut und deutlich: Lernspiele sind Kacke!
Puh, schon besser! Das musste zwischendurch mal kurz sein. Warum finde ich also Lernspiele kacke? Das ist zum einen schon mal ein verdoppeltes Dingsbums, so ein plemplem-Ausdruck wie „emotionale Gefühle“. Spielen IST Lernen. Punkt. Das muss man sich mal klarmachen- immer wenn unsere Kinder spielen, lernen sie. Man muss sie nur spielen lassen! Das ist so verdammt einfach!
Aber im Optimierungswahn unserer Gesellschaft geht das einfache Spielen manchmal bissi flöten, so schade. Seit einigen Wochen darf ich einen Neunjährigen wöchentlich zur Logopädie fahren in eine Riesenpraxis, in der alles mögliche angeboten wird zur Perfektionierung nicht ganz perfekt ausgefallener Kinder. Logo, Ergo, Physio, wasweißichio.
Da sitze ich dann eine Dreiviertelstunde im Wartezimmer rum, tue so, als wäre ich mit meinem Smartphone beschäftigt und höre dabei den drei Müttern zu, die ihren offensichtlich auch nicht ganz fehlerlosen Nachwuchs dort verbessern lassen. Ok, selbstverständlich könnte es theoretisch möglich sein, dass die fraglichen Kinder allesamt einen tatsächlichen Förderbedarf haben, aber nach Zusammenführung aller Indizien wie fahrbare Untersätze im Hof (SUV der Marke: Platz da vor dem Schulhoftor, hier komme ich und bringe Konstantin-Rudolph bis ins Klassenzimmer- der Schulranzen ist ja SO schwer!), Gesprächsthemen („wie fandet ihr denn den Psychologen? Mir schien ja, dass der Intelligenztest von Charlotte-Sophie ein wenig an ihren tatsächlichen Fähigkeiten vorbeiging“ und “ Habt ihr schon gehört dass im nächsten Jahr Ergotherapie gleichzeitig mit Frühchinesisch angesetzt ist?- wie können die denn so was machen, als wüßte man nicht, wie außerordentlich WICHTIG beides für die Entwicklung von Theodor Friedrich ist!“) und nicht zuletzt des allgemeinen Erscheinungsbildes (Klamotten Ton in Ton auf die Stiefel abgestimmt. Wahlweise Pferde- oder Barbourjacken-Geruch. Selbstgefälliges Nebenbei-Telefonieren mit den Mietlingen deren Heizung ausgefallen ist und die SCHON WIEDER anrufen- was man halt so zu tun hat. Ihr wisst schon.) muss ich leider sagen, dass ich mit einer Mischung aus innerlichem Grinsen (das wandelnde Klischee, wie geil!) und Verzweiflung (Hilfe! Was tun die bloß ihren Kindern an?) das Ganze verfolge. (Irgendwann merkt mal eine, dass ich bei Facebook immer auf den gleichen Post starre. Ich sags euch, dann bin ich sowas von am Arsch.)
Aber eigentlich frag ich mich die ganze Zeit: wieso sind die nicht einfach mal zufrieden mit ihren Kids? Lassen sie einfach mal so ohne tieferen Sinn für die ZUKUNFT (dramatische Musik!) spielen? Einfach mal Blödsinn mit ihren Kindern machen, irgendwelche eigenen Regeln für Spiele erfinden, das viermillionste Legobauwerk bestaunen, unterhalten, die Kinder ihren Interessen nachgehen lassen und all den Kinderkram mitmachen ohne ständig und immer an die berufliche Zukunft zu denken? Das ist wesentlich effektiver als jedes Lernspiel.
Ich meine, hallo? Lernspiele, die „Lesepolizei“ und „Rechenkönig“ heißen? „Sprechhexe“, „Rund um den Kalender“ und „Das Geheimnis der Zahleninsel“? Nee, sorry, Leute. Die meisten davon kenne ich und sie sind scheißlangweilig. Ehrlich.
Ich sags mal so: entweder hat euer Kind tatsächlich ein körperliches oder geistiges Defizit irgendwo, dann braucht es die entsprechende  Diagnose und Ergo-, Logo- oder Psychotherapie. Oder euer Kind ist völlig in Ordnung und entwickelt sich in mancherlei Hinsicht nur ein bißchen ungleichmäßig (wie das ungefähr 90 % aller Kinder tun), dann braucht es das was alle Kinder brauchen: Liebe, Empathie und vor allem die vom Herzen kommende Ansage von den Eltern DU BIST PERFEKT SO WIE DU BIST!!!
Aber dieses ständige *mimimi* aber Gustav von Müller-Fuchtelheims kann schon laufen *mimimi* Elisabeth von den Sackheim Beutlins ist schon viel größer *mimimi* schon wieder eine drei in Englisch du landest noch bei der Müllabfuhr *mimimi* geht nicht nur mir gewaltig auf den Zeiger, sondern hat doch auch eine Auswirkung auf die Kinder. Was für ein Selbstbewußtsein sollen die denn entwickeln wenn sie von frühester Kindheit an von Optimierung zu Optimierung geschleppt werden, weil sie ja offensichtlich nicht gut genug
für ihre Eltern sind?
Also bitte: Lego, Playmo, Kuscheltiere, Malstifte, Hörspiele, Bücher, Bauklötze noch und nöcher. Aber bitte keine didaktischen, pädagogisch wertvollen Lernspiele. Die braucht kein Mensch.

Und eins ist wohl klar: eines unserer Mädels hat sich eine uralte CD von Nirvana gewünscht (4,99! Als einzigen Wunsch! Mit zwölf!) Ich werde höchstpersönlich prüfen, ob diese CD in dem Geschenk enthalten ist und wenn ich das ganze verdammte Geschenk dazu auseinanderpflücken und neu verpacken muss. Zur Not tu ich die selber mit rein. Wie geil ist das denn: Zwölf und wünscht sich eine CD von Nirvana? Halleluja, es geschehen noch Zeichen und Wunder!

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W wie Wertschätzung

Okay, ich machs. Seit Monaten laufe ich vor diesem Buchstaben davon, weil „Wertschätzung“ irgendwie so ein total pädagogisches Wort ist und weil das in den meisten Fällen zum sofortigen Abschalten des nichtpädagogischen Gegenübers führt wenn man das Wort ins Gespräch einflicht „es ist total wichtig, dass sie ihren Sohn/ihre Tochter/ ihr Karnickel/sonstwen wertschätzen weil blabla“ Gegenüber: „schnurchlkrrrr*
Aaargglll! Keiner hört mir zu!
Ich finde tatsächlich, dass kein anderes Wort der Welt so deutlich dafür sorgt, dich als Pädagogin Sozialtante zu disqualifizieren wie das Wort „Wertschätzung“. Das ist so wie das Wort „Kick-off-Veranstaltung“ für Eventmanager (oder „Abgasprotokoll“ für Autohersteller, aber das ist ein anderes Thema).
Und gleichzeitig habe ich in den letzten Jahren das Gefühl entwickelt, dass kein anderes Wort deutlicher darstellt, was das allerwichtigste im Umgang mit der Brut ist: Wertschätzung. Und mir fällt ums Verplatzen kein besseres, nicht pädagogisch-stigmatisiertes Wort dafür ein. (Wohlwollen vielleicht? Nee.)
Ich meine, um das mal klarzustellen: im Szenecafe in Prenzlauer Berg oder Friedrichshain zwischen all den Cappucinomuttis (keine sehr wertschätzende Bezeichnung *ups*) ist die pädagogisierte Sprache wahrscheinlich eher ein Türöffnercode und man sieht sich gleich in ein Gespräch über Schulen und Kitas mit bestmöglichen Bildungs- und Ernährungskonzepten verwickelt. Aber, Leute: die allerwenigsten Deutschen wohnen in hippen Szenestadtteilen mit hoher Einkommenstruktur und beschäftigen sich tagaustagein mit der bestmöglichen Erziehungs- und Ernährungsstrategie um aus longboardenden Szenekindern vegane Kiez-Hipster zu machen. Die Mehrheit, also zumindest die absolute Mehrheit der Menschen um mich herum (meine sogenannte Bubble) leben völlig basisnah in Dörfern und kleineren Städten so vor sich hin, glotzen RTL und kaufen bei Aldi und Rewe ein, geben sich mit dem wohnortnahen Kindergarten zufrieden, scheißegal welches frühkindliche Bildungskonzept dort vorherrscht, keiner käme auf die Idee, die Kids ins dreissig Kilometer entfernte Elitegymnasium zu fahren wo doch das hiesige Schulzentrum direkt vor der Tür ist. Äh- also, die meisten nicht…
Der Nachteil: Man hört noch des öfteren „Ei, die ganze Soziaalpädagooche mit ihrm Firlefanz. Muss des sei, des ganze pädagoochische Geschwafel? Könne die die Kinner net erziehe wie früher, des hat uns doch aach net geschadt. Kinner brauche Grenze un wenn ses übertreiwe, dann muss ma dene halt emal zeische wo der Hammer hängt, gelle.“
Muaahhh….
Dabei ist es doch so einfach. Wir Erwachsene wollen doch bitteschön in jeder Situation angemessen freundlich und höflich behandelt werden, auch und gerade durch unsere Familie/Partner/Lebensabschnittsgefährten/whatever.
Wir gehen, und da schliesse ich mich zu meiner großen Scham ausdrücklich mit ein, viel zu häufig automatisch und ohne nachzudenken davon aus, dass der Nachwuchs schon einen großen Blödsinn produzieren wird, einfach weil er es nicht kann/zu klein/zu ungeschickt/zu irgendwas ist. Und so krähen wir ohne größere Beteiligung des Denkkörpers in viel zu vielen Situationen unbedacht ganz schön beleidigende Sachen raus für die lieben Kleinen. „Kannst du nicht aufpassen?“, „Dein Zimmer sieht aus wie ein Schweinestall“, „Jetzt lass doch nicht immer alles fallen!“ undsoweiter sind dabei noch die harmloseren Varianten. Puh, kein Wunder, dass es ständig Krach gibt zwischen Eltern und Kinder, wenn die Kinder häufig so beleidigt werden.
Dabei gibt es eigentlich einen ganz einfachen Trick, wie man feststellt, ob ein Satz gerade sehr verletzend und abwertend für das Kind ist oder nicht.
Stell dir einfach vor, DU kriegst das gerade an den Kopf geknallt. Du lebst da zum Beispiel so locker vor dich hin und findest eigentlich alles total knorke und da ist dieser total nette Nachbar, Professor der Quantenphysik, mit dem du dich eigentlich supergut verstehst und plötzlich erzählt er dir, dass die Ergebnisse bestimmter quantenphysikalischer Experimente nicht absolut gesetzmäßig, sondern nur nach einer gewissen Wahrscheinlichkeit und einem ursachenlosen Zufall eintreten und du so Hä? und er so *brüll* „wie oft soll ich dir das denn noch erklären, es ist doch nicht zu fassen wie dämlich man sich stellen kann, jetzt gib dir aber mal ein bißchen Mühe *schnaub*“
Ich schätze mal, bei den meisten von uns hätte der Quantentyp nicht viel zu lachen, wenn er es wagen würde, SO mit uns zu sprechen. Aber für die meisten Kinder ist es vollkommen normal, so herablassend behandelt zu werden, sei es von den Eltern oder in der Schule. „Schantalle! Geh wech von die Regale, du Arsch!“, „Ach, da ist ja wieder das Fräulein HuchdakommteinBall“ oder „Na, haben wir mal wieder keine einzige Matheaufgabe richtig?“
Für die quantentheoretisch bewanderten Klugscheißer unter uns, die natürlich nicht Hä? gesagt hätten: es ist vollkommen wurscht ob es die Quantenphysik ist, oder Mathematik, Architektur, einfache Empathie oder sonstwas. Der Punkt ist: auch wenn wir etwas nicht auf Anhieb (oder auch nicht nach mehrjährigem Unterricht) verstehen, so haben wir dennoch das Recht darauf, jederzeit freundlich, höflich (im Idealfall: liebevoll) und vor allem respektvoll behandelt zu werden. Da gilt das doch wohl erst recht für die Kinder, die ja schliesslich nochnichtmal was dafür können, dass sie alles mögliche erst lernen müssen.

Nicht, das irgendeiner denkt, das gelänge mir stets.
Meine Sozialisation/mangelnde Impulskontrolle/innerer Schweinehund überholt mich leider des öfteren von rechts und ich starre in die häßliche Fratze der Elternschaft: schimpf schimpf mecker wegen irgendeinem Mist. Als er noch relativ klein war, hat mein Sohn mir mal ins schimpfende Gesicht (weil er sich wieder nicht „endlich mal alleine“ umziehen wollte im Bad) geschaut und gefragt „Wieso hast du so böse Augen, Mama?“
Gulp.
Herzlichen Glückwunsch, hier ist ihre „Rabenmutter-des-Jahres-Medaille“.

Nun ja, ich denke, letzten Endes kommt das in der ein oder anderen Ausprägung in jeder Familie so vor. Man ist nicht immer super konzentriert und vor allem reflektiert, was das eigene Verhalten angeht, häufig hat man als Eltern viel zu hohe Erwartungen an das Kind (und sich selbst!) und was wohl das schwierigste ist: man trägt ja auch noch sein eigenes Päckchen mit sich rum, ist müde, jobgefrustet oder sonstwas. In den meisten Fällen verhält man sich wohl ohnehin einfach ohne vorher drüber nachzudenken- besonders wenn man aus irgendeinem Grund wütend ist. Aber es kann nicht schaden, sich zumindest mal in einer ruhigen Minute zu überlegen, ob man nicht doch lieber so in den Wald reinrufen möchte, wie es rausschallen soll. Es wird die nächste elterliche Empörungsexplosion und den nächsten Krach sicher nicht verhindern, aber vielleicht vermindern. Und vielleicht entwickelt man einen anderen Blick aufs Kind. Man muss ihn ja nicht wertschätzend nennen.

(Hier kann ich nur immer wieder den wirklich großartigen Blog „Das gewünschteste Wunschkind“ empfehlen und zum Thema passend meinen Lieblingsartikel „Wie entstehen „Arschlochkinder“ und „Tyrannen“ wirklich?“ (Selbstverständlich hat mich der Titel wegen der derben Ausdrucksweise angesprochen, was denn sonst? Hehe.) Die erklären euch alles supergut wofür ich häufig keine Worte finde. Wozu auch- es ist ja schon hervorragend erklärt.?)

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L wie Lügen

Nein, heute geht es nicht um das Lügen bei bzw von Kindern. Zu dem Thema haben Danielle und Snowqueen vom Blog „Das gewünschteste Wunschkind treibt mich in den Wahnsinn“ einen wirklich guten Artikel geschrieben, ganz ohne blöde Bemerkungen so wie ich das immer mache, sondern richtig ernsthaft und empfehlenswert. Sollte man mal gelesen haben (falls man der Meinung ist, dass die lieben Kleinen sehr böse sind und den Teufel in sich haben wenn sie lügen. Sind sie nicht und haben sie nicht.) Der Blog ist ohnehin sehr empfehlenswert, hatte ich irgendwo schon mal angemerkt, oder?

Nein, heute geht es um Elternlügen.
Neulich im politisch korrekten Öko-Supermarkt. Vor mir an der Kasse eine optisch sehr gut zum Ökosupermarkt passende Mutter mit zwei Kindern, etwa drei und fünf Jahre alt. Die Kinder betrachten all die interessanten Sachen um sie herum, nehmen dies in die Hand, laufen rum, legen jenes wieder hin, rufen „Mama, schau!“ und knistern an den Süßigkeitentüten herum. (Nur mal kurz zwischendurch: Hallo Ökosupermarkt. Ihr seid doch so tolle Menschen, weil ihr nur gute Lebensmittel vertickt die ihren Namen tanzen können, und weil ihr überall auf Bioökonachhaltigkeit, totgestreichelte Tiere und das ganze Trallala Wert legt. Könnt ihr den miesen Trick mit der Quengelware an der Kasse vielleicht mal bleiben lassen? Das ist doch wohl nicht euer behauptetes Niveau.)
Wo war ich? Ach ja. Kasse, Öko, Mutter und zwei Kinder.
Kind Klein befingert während des Wartens an der Kasse also die bunten Bonbon-, Brause- Schoko- und Lutscherverpackungen (während Kind Groß ungestört am Zeitschriftenständer die Zeitungen durcheinanderfleddert. Hmpf.) und zeigt Mama eine buntgetupfte Irgendwasverpackung. Mama zerrt Kind Klein die schöne bunte Verpackung aus der Hand und herrscht es an: Leg das hin! Das ist alles ganz BÄ!! Kind guckt Mama an und fragt: Hokolade? Ja. BÄ! zischt Mama. Lass das liegen, das ist nur für Erwachsene! Da wirste dumm im Kopp von! Kinder werden davon blöd!

Wtf?

(Ich muss zugeben, DER Zusammenhang zwischen dämlichen Kindern Menschen und Süßkram war mir jetzt noch nicht bewusst…)
Es war mir schwer, aber nachdem ich meinen Mund wieder zuklappen konnte, habe ich es geschafft, würdevoll und vollkommen unbeteiligt zu blicken, während die Mutter mit aller Kraft am Grab ihrer eigenen Glaubwürdigkeit schaufelte. (Innerlich habe ich mir natürlich die Haare gerauft und den Kopf auf das Süßigkeitenregal geschlagen (so gesehen wird man wirklich dumm von dem Zeug), aber äußerlich: Pokerface. Ich coole Sau.)
Puh.
Liebe Miteltern: Macht so einen Mist nie. Niemals. Es sei denn, ihr wollt, dass das Vertrauen der Kinder in euch sich Stück für Stück und Lüge für Lüge in Luft auflöst und Frustration und Enttäuschung Platz macht.
(Abgesehen davon hält euch euer Umfeld für… naja, zuviel Süßkram, ihr wißt schon).
Man sehe es mal von der Warte der Kinder: Unsere Kinder sind von uns abhängig, klar. Also hat die Evolution den Nachwuchs mit einem unbedingten Urvertrauen in die Eltern ausgestattet. Feine Sache, das. Egal, was die Eltern an Blödsinn anstellen: Kinder lieben sie bedingungslos und glauben erstmal alles. Erstmal.
Kind Klein aus dem Beispiel wird demzufolge wohl im Moment noch glauben das Süßigkeiten des Teufels sind und man davon dumm wird. Aber der Tag wird kommen, an dem der beste Freund einen Schokoriegel in der Brotbox hat oder an dem Kind Klein zu einem Kindergeburtstag bei der Bentoboxmama eingeladen ist (und DA gibt es garantiert ein Sweet Table dass sich die Balken biegen) und DANN!
Dann wird Kind Klein sich entweder furchtbar blamieren, indem es versucht die bösen Süßigkeiten ins Klo zu spülen um heldenhaft seine Freunde vor der Verdummung zu retten (zugegeben: unwahrscheinlich) ODER es wird begreifen: Das Zeug schmeckt echt gut!
In jedem Fall wird ihm am Ende klar werden: Moment mal. Meine Mama hat mich angelogen. ANGELOGEN.
Und was frustriert und demütigt uns mehr als die Erkenntnis, dass der wichtigste Mensch der Welt uns angelogen hat? Was für ein Vertrauensbruch!
Wo das öfter passiert, macht sich Verunsicherung breit, Verunsicherung führt zu Frustration, Frustration zu Aggression, zu Machtkämpfen und.. ach, am besten sucht ihr schon mal einen Platz im Kinderheim.

Leute. Wir sind uns in der Erwachsenenwelt doch einig, dass Lügen im sozialen Umgang miteinander nicht erwünscht ist. Lügner werden gemeinhin nicht akzeptiert (ok, bis auf einige Politiker. Manager. Und noch so einige. Ups- wenn ich länger nachdenke, wird die Liste lang…) und Kinder bekommen immer wieder gesagt sie sollen nicht lügen. Wieso lügen wir dann die Kinder an?
Man erzählt ihnen aus den verschiedensten Gründen Mist, aber meistens hat es doch was mit unserer eigenen Bequemlichkeit zu tun. Weil wir eine Entscheidung grad nicht begründen wollen oder auch weil wir eine Auseinandersetzung mit unserem Kind fürchten.
Dazu kommt: Zu oft nehmen wir uns nicht mal die Zeit, ihre Äußerungen zu verstehen sondern unterstellen ihnen unlautere Motive, die in dem Moment vielleicht gar nicht existieren.
Ich habe es beobachtet und bin sicher: Kind Klein in meinem Beispiel wollte gar keine Süßigkeiten haben. Es wusste nichtmal, dass das Süßigkeiten sind. Es war nur fasziniert von den Farben und dem Geknistere der Verpackungen und wollte seine Mama daran teilhaben lassen.
Ein wohlwollendes „Ja, das ist wirklich hübsch“ von der Mutter hätte vermutlich dazu geführt, dass das Kind die Verpackung einfach wieder zurückstellt. (Und dann hätte sie Kind Groß aus dem Zeitschriftenständer zerren können. Aber das nur am Rande.)

Es gibt übrigens, wie bei jeder guten These, natürlich Ausnahmen von der Regel.
Selbstverständlich haben wir unser Kind niemals bewusst und schon gar nicht mit irgendwelchen miesen Absichten angelogen. Ts. *pfeif*
Als er aber damals mit ungefähr fünf oder sechs von Opa und Oma zurückkam und uns freudestrahlend von den tollen Comicsendungen berichtete, die auf SuperRTL und in irgendsoeinem anderen Dreckssender liefen, da schauten Papa und ich uns kurz an und bedauerten dann unisono, dass es diese tollen Sender auf unserem Fernseher leider nicht gebe.
Das oder ich hätte die Schwiegereltern erschossen.

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P wie Pimp my Baby

Yo man! Wer kennt noch WestCoastCustoms? Diese vollkommen abgefahrene US-Autowerkstatt, in der du deine alte Schrottkarre mit irrsinnig teuren (und völlig überflüssigen) Teilen frisieren und aufmotzen lassen kannst. Fährst mit nem rostzerfressenen alten Trabbi rein und raus kommt ein Geschoß mit dreizehn Spoilern, Metalliclack im Flammenlook, sarggroßen Boxen und Flachbildschirm im Autohimmel. Pimp my Ride, Man! Klar, oder?

Äh? Ja, is ja gut, war mal ne Serie auf MTV, kennt wieder keiner.
(Sorry, hatte heute eine Begegnung der dritten Art bei der Arbeit. Auf meiner Rückbank saßen Flo Rida und Xzibit, ehrlich. Ich bin immer noch ganz wuschig. Seitdem hab ich den Rapper-Floh im Ohr. Geht auch wieder weg. Hoffentlich.)

Wo war ich? Also ernsthaft jetzt. Es gibt diese „Pimp my Auto/Wohnung/Wasweißichnochalles Ideologie ja auch für Babys und es wird gefühlt immer schlimmer.
Die Zwerge sollen viel und das möglichst früh und am besten besser als alle andern können. Wenn Nachbars Kunigunde mit sechs Monaten schon anfängt zu krabbeln, dann wird Gwendoline mißtrauisch beäugt, wenn sie sich noch lieber gemütlich auf dem Rücken liegend die Welt anschaut.
Die Kleinen werden an den Ärmchen hochgezogen um sie zum Stehen zu animieren, in Sitzhaltung mit Kissen umpolstert (Gucke Se ma- die sitzt schon! *Baby kippt laangsam vornüber*) und in jeder freien Sekunde mit Rasselchen und Püppchen und Trallala hier und Scheißendreckchen da zum Spielen animiert, nein, Verzeihung: gefördert. Grundausstattung in jedem, aber wirklich JEDEM Baby- und Kleinkindzimmer: O-Bälle in allen Varianten, die Sortierbox, das Spieltrapez und als absoluter Höhepunkt: die Motorikschleife, das sinnloseste, als Förderspielzeug verkleidete Dumme Zeuch unter der Sonne. Hmpf.
Wer sein Baby mit der Motorikschleife quält langweilt, wird dafür bezahlen, glaubt es mir. Vierzig Jahre später wird es heißen: War ja ganz schön bei euch, die Kindheit, aber die Motorikschleife verzeih ich euch nicht, ihr kommt ins Heim!
Okay, na gut, wahrscheinlich wird das nicht passieren, Babys haben ja ein ziemlich mieses Gedächtnis- zum Glück für euch. (Uns. Jajaja- natürlich muss es korrekt heißen: uns. Hmpf. Wir haben sie geschenkt bekommen, ich schwöre!)
Von ca fünfzig mir bekannten Motorikschleifenbesitzern im Krabbelalter haben sich maximal zwei länger als 14 Sekunden dafür interessiert. Und die gaben nach einer Viertelstunde auch auf. Oder so. Jahaaa: natürlich gibt es hier und da Kinder, die sich damit beschäftigen können und möchten. Aber die Anzahl der in Deutschland verkauften Motorikschleifen ist (nach meiner repräsentativen Umfrage in den besagten fünfzig Kinderzimmern) derart irrsinnig viel höher als die Anzahl der Kinder, die die Dinger wirklich interessant finden, das ich mich frage, wieso ist das so?
Irgendein Mensch (vermutlich ein Hersteller von Motorikschleifen) hat den Teilen mal das Etikett „pädagogisch wertvoll“ verpasst und seitdem kaufen das alle Leute wie Depp. (Wieso komm ich nie auf solche glänzenden Dollar-Ideen?) Kann nicht anders sein, weil: allenthalben grassiert der Förderwahn.
Sind wir mal ehrlich: das meiste Spielzeug in einem Durchschnittskinderzimmer glänzt mit dem Etikett „Ganz toll, weil“ (fördert die Motorik/das Sprachverständnis/das Laufenlernen/die Verdauung/die Bilanz des Herstellers/wasauchimmer“) „Was? Das ist gut fürs Kind?“ Bääm! Schon gekauft! Funktioniert zuverlässig, vor allem in gutsituierten Elternhäusern.
(Nur mal als Beispiel: Hier wurde natürlich auch pädagogisch wertvolles Spielzeug gekauft, in diesem Fall: das Spieltrapez. Ein verdammt ziemlich arschteures Gerät, möchte ich betonen! Es hat dann sehr lange gedauert, bis Sohnemann es geschafft hat, aus seiner Wippe heraus diese nervigen Holzhängerchen zur Seite zu schieben, weil er eigentlich nur eins im Sinn hatte: Mama beobachten. Die Welt anschauen. Die Sonne, die Zimmerpflanzen, die unsichtbaren Freunde, was weiss ich noch alles zu betrachten. Und da bambeln ständig so ein paar Holzstörenfriede GENAU im Blickfeld rum. Wie verschnarcht war ich da, verdammt??)
Natürlich schadet das Förderspielzeug nicht zwangsläufig. Aber spätestens dann, wenn man dann die Kinder fortlaufend in der „richtigen Handhabung“ ihres pädagogisch wertvollen Spielzeugs unterrichten will. (Spätestens seit der Supernanny habe ich ein gestörtes Verhältnis zu „pädagogisch wertvoll“. Aber das ist ein anderes Thema.)
Beispiel Sortierbox:
Ein buntes Ding mit verschiedenen Formen, die in verschiedene Öffnungen passen und eingefügt werden sollen. Zuerstmal hat kein Baby oder Kleinkind auch nur den Hauch einer Ahnung von dem viel zu erwachsenen Konzept der Sortierbox. Die Kids sehen lediglich was buntes und das wollen sie untersuchen (oder auch nicht und die Tupperschublade ist interessanter. Und nu?). Schmecken, befühlen, werfen, wasauchimmer. Aber nie im Leben weiß ein Kind instinktiv, dass das blaue Dreieck in die blaue dreieckige Öffnung reinsoll. Woher auch? Und wieso?? Die wissen doch nicht mal, dass diese beiden Dinger zusammengehören, für sie sind das einfach nur: Interessante Dinge.
Wer jetzt versucht, die Entwicklung zu beschleunigen, indem er mit den Kindern „übt“ macht einen entscheidenden Fehler: Jedes „Nein, das Dreieck gehört doch nicht in den Kreis, das gehört doch hier rein“ und jedes „schau mal, Schatz, SO geht das“ demotiviert das Kind, weil etwas ganz entscheidendes ausbleibt: das selbstgeschaffene Erfolgserlebnis! Das Dreieck mit Hilfe von Papas Hand in den richtigen Platz der Sortierbox zu stopfen ist NIX gegen das Aha-Erlebnis wenn der rechteckige Bauklotz nach hundert Versuchen endlich im runden Tupperdöschen verschwindet. Und nach nochmal hundert Versuchen wieder rausflutscht. DAS ist Förderung: die Kids genau das machen zu lassen, an dem sie gerade Interesse zeigen.
Schmatzt mein Baby genüßlich an den eigenen Fingern herum, oder dreht es einen Holzklotz in der Hand? Versucht es sich zu strecken um an einen Luftballon zu kommen? Dann ist DAS gerade Förderung. Das Baby ist sehr vertieft in die Erforschung von Oberflächen. Es lernt das Gewicht und das Verhalten von Gegenständen kennen, lernt Abstände einzuschätzen. Jetzt in der besten Absicht mit einem pädagogisch wertvollen Holzspielzeug um die Ecke zu biegen lenkt das Baby ab und stört die Neuronen im Hirn bei der Verknüpfung. (Im blödesten Fall fängt das Baby an zu weinen, weil es gestört wurde, was Eltern oft zu hektischem „Aber was hast du denn, mein Schatz? Willst du die Rassel nicht? *jammer* Lieber den Ball? *schrei* Guck doch mal, so ein tolles Rasseldingdongklingelingspielzeug? *lauterbrüll* Oder hast du in die Windel gemacht? *kreisch*  Oh Gott, was ist denn nur mit dem Kind los? Bestimmt hat es Hunger!!“ Und da „Hunger“ offensichtlich der größte gemeinsame Nenner ist, auf den panische Eltern sich einigen können, wenn das Baby ohne schriftliche Erklärung weint, kriegt es was zu essen, obwohl es erst vor einer halben Stunde satt war. Natürlich ist Baby erstmal ruhig, wenn es Brust oder Flasche im Schnabel hat, „uff- tatsächlich Hunger!“, fängt aber drei Minuten später wieder an zu heulen weil jetzt der Bauch zu voll ist und weh tut, die Eltern rätseln, was das Kind hat, versuchen wieder alles mögliche (Rassel? Bäuerchen? Windel? Hunger?? *schrei*) Und schon ist eine ungute Spirale in Gang gesetzt an deren Ende häufig frustrierte, unglückliche und ratlose Eltern stehen und oft genug der Gang zur nächsten Schreiambulanz folgt.
Wo war ich? Ich werd ja grad selber völlig plemplem wenn ich darüber nachdenke.)
Eine Erkenntnis kann ich hier durchaus als evolutionär gesichert verkaufen: Kinder wollen lernen. Sie WOLLEN sich weiterentwickeln und streben immer nach der nächsten Stufe, nach dem nächsten „Big Thing“.
Boah, nach etwas greifen und es tatsächlich erwischen! Den Körper sooooooo lang machen bis man den Fetzen Stoff zu fassen bekommt! Dinge ineinander stecken und wieder herausbekommen!! Aus kleinen Fetzen (in der Tatübox) große weiße Wolken machen (die Taschentücher überall verteilen)!! Am Tischbein hochziehen und herausfinden was da oben so schön glänzt! In Bewegung kommen und dorthin krabbeln können wohin Mama gerade verschwunden ist!!
DAS sind Erfolgserlebnisse, die Kinder zum Weiterentwickeln animieren! Könnten Kinder sich nur mit Hilfe von pädagogisch wertvollem Förderspielzeug weiterentwickeln, dann, mit Verlaub, würden wir immer noch vom Baum runter scheißen. Bei den Höhlenmalereien ist meines Wissens keine einzige Motorikschleife gefunden worden und trotzdem haben irgendwelche Köpfe COMPUTER erfunden. Röntgengeräte! Mein Gott! (Ich bin mir nicht sicher, ob Konrad Zuse eine Motorikschleife daheim hatte. Oder Marie Curie einen OBall?)
Herrgott, Eltern, woher nehmt ihr nur eure verdammte Ungeduld? Lasst euch doch nicht von Motorikschleifenherstellern einreden, euer Kind sei nicht gut genug und müsse gefördert werden! In ein paar Jahren wird keiner mehr merken, ob Kunigunde früh laufen konnte oder wann Gwendoline sprechen lernte.
Babys und Kinder brauchen kein Förderspielzeug für eine gesunde Entwicklung. Genausowenig wie sie bunte Bentoboxen, Klamotten aus dem Boden-Katalog oder Kurse in südchinesischem Körpermakramee brauchen.
Der beste Fördermotor für ein Baby sind die Eltern. Authentische Eltern, die hinter dem stehen, was sie mit ihrem Kind veranstalten und selber Spaß dran haben.
Die Botschaft ist klar, oder?
Kauft keine Motorikschleifen/Schwimmkurse/whatever, weil die ja so irre fördernd sind.
Kauft sie nur, wenn ihr merkt, dass euer Kind sie wirklich toll findet. So einfach ist das.

Veröffentlicht unter ABC

Elfchen

Erstaunlich, was die Kinder heutzutage alles schon so früh in der Schule lernen.
Toll ist das! Ich habe mich damals in der zweiten Klasse vermutlich noch mit der über einen s-pitzen S-tein s-tolpernden Susi (so eine dämliche Kuh aber auch) rumgeärgert und heute schreiben sie schon Gedichte.
Nicht, dass ich gewusst hätte, was ein Elfchen ist- das musste ich erstmal googeln.
Zum Ausgleich habe ich Juniors selbstgedichtetem Frühlings-Elfchen den passenden Rahmen gegeben. *find*
Elfchen Collage
Seitdem freu ich mich dran.
Frauen, die auf Fenster starren…. *muuuharharhar*

B wie Bereuen

Ach Gottchen, denke ich manchmal. Was hätten wir für eine Kohle zum Verblasen, wenn das Kind nicht wäre. Die Wohnung wäre locker bezahlt und zwei etwas bessere Autos täten vor der Haustür schönstehn. Aber nee, wir wollten ja ein Kind.

Wenn mich heute jemand fragt warum eigentlich, dann könnte ich diese Frage überhaupt nicht beantworten. Wie, warum? Einfach so, weil sich die Idee, ein gemeinsames Kind zu haben, eine Familie zu sein, einfach gut angefühlt hat.
Also haben wir uns ohne größere Vorbereitung in das Abenteuer gestürzt.
Und ich muss sagen, das hat bisher alles ziemlich gut geklappt mit dem Nachwuchs, dem Leben und dem ganzen Drumherum.
Ich bin völlig naiv überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass jemand die Mutterschaft bereuen könnte. Also von den gut gesettelten Müttern jetzt, die ihre Kinder lieben und Blogs lesen und Latte Macchiato trinken und Glaubulis und all das.
Für die Uneingeweihten: Da wurde letzte Woche diese Studie aus Israel durch die Medien gereicht, die von Müttern berichtet, die, ich sags mal mit meinen Worten, die Schnauze voll haben von diesem Mutterding und deshalb ehrlich und frei weg sagen: Das würde ich zurückdrehen, wenn ichs nur könnte. Ich liebe meine Kinder, aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich gegen sie entscheiden.
Gut, dachte ich mir bei dem ersten Bericht. Die hats halt blöd erwischt. Wer weiß, aus welchen Gründen diese Frauen ihre Mutterschaft bereuen. Vielleicht werden sie verkloppt vom Vater der Kinder, vielleicht würden sie lieber Karriere machen, vielleicht das ganze Geld anderweitig verprassen, vielleicht hatten sie selber eine beschissene Kindheit, was weiß ich. Tausend Gründe möglich. Außerdem sind in der Studie lediglich 23 Frauen erwähnt, das ist ja wohl das Gegenteil einer repräsentativen Studie und obwohl natürlich Einzelschicksale durchaus bewegend sind, so hatte ich jetzt doch nicht das Gefühl, die Menschheit könnte bedroht sein, also habe ich das Ding flott wieder vergessen.

In meiner Timeline tauchten aber ständig Artikel zu dem Thema auf und immer mehr und es wurden immer mehr Mütter, die über das Ach! und Weh! der Mutterschaft berichteten und so richtig aus dem Kopf gekriegt habe ich es sowieso nicht, also muss ich jetzt natürlich meinen Senf dazu geben. Und der kommt heute aus der Tube „WTF?“

Was zum Teufel ist hier eigentlich los?
Da haben ein paar wenige Mütter aus einem weit entfernten Land ein ernstzunehmendes psychisches Problem mit ihrer Mutterrolle und in den Medien und Blogs wird das zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen hochdramatisiert, geht’s noch?

Es ist ja nun nicht so, als sei das eine gefährliche gesellschaftliche Strömung in die Richtung, das plötzlich die Hälfte aller Mütter sagt, achje, weisste. Das Kind ist so ne häßliche Kackbratze, und ADHS hats auch noch, lass ma zurückgeben, konnt ich eh nie leiden. Ja, gut lieben tu ichs natürlich trotzdem, is klar.

Nein, es handelt sich um wenige Mütter, die aus vollkommen unklaren Motiven und mit völlig unklarer Anamnese diese Interviews gegeben haben, und ja, die haben ein Problem. Aus meiner Sicht ein sehr ernstes, denn ich halte es nicht für „normal“, sondern eher für pathologisch, wenn Mütter so über ihre Mutterschaft urteilen obwohl sie behaupten, ihr Kind zu lieben. Wenn meine Mutter heute allen Ernstes sagen würde sie würde mich ungeschehen machen, wenn sie das könnte, obwohl sie mich sehr liebt, dann würde ich sie erschießen. Auf der Stelle! Obwohl ich sie sehr liebe. Weisse Bescheid.
Da halte ich es eher mit Paula, die in ihrem Artikel sehr schön formuliert, dass es Dinge gibt, die sind eben so wie sie sind und dann macht man halt das Beste draus, fertig. Was nützt denn all das Gejammere über die anstrengende Mutterschaft?
NATÜRLICH ist alles anders wenn man Kinder hat. Anstrengend und anders.
Aber ganz ehrlich: Wer mit Kindern noch glaubt, dass das Leben komplett ohne jede Veränderung so weitergeht, mit Kino, Disco, Reisen, Geld und Karriere, der hat das Konzept von Familie nicht verstanden.
Zum Konzept von Familie gehört die tief verankerte Erkenntnis (und das Akzeptieren derselben!): Ich bin nicht mehr allein. Nie wieder. Es geht nicht mehr nur um meine eigene Selbstverwirklichung. Da ist ein/sind mehrere andere Menschlein von mir abhängig.
Im Idealfall hat man einen Partner (so wie ich) der sich gleichermaßen kümmert und verantwortlich für das komplette Konzept „Familie“ fühlt und in einer idealen Welt schaffen es alle Familienmitglieder, ihre Bedürfnisse zur rechten Zeit und in der richtigen Intensität zu formulieren, jeweils dem Alter angemessen natürlich. (Ein achtjähriger darf durchaus noch der Meinung sein, dass sein heiß ersehnter Playmo-Polizeiwagen SOFORT hergeschafft werden muss, ein sechsundvierzigjähriger muss auf den Lamborghini leider noch etwas warten *hust*)
Alles in allem gibt man NATÜRLICH das „Ich“ ab und tauscht es mit dem „Wir“.
Ja und???
Es ist doch verdammtnochmal überall so!

Paula sagt:
Wenn ich angestellt arbeite, bin ich in der Regel sehr unfrei in meiner Zeitgestaltung, zB. Wenn ich nicht auf einem Grundstück ohne unmittelbare Nachbarschaft lebe, bin ich nur bis dahin frei, wo die Freiheit meiner Nachbarn anfängt. Wenn ich mich in der Gesellschaft bewege, bin ich gebunden an Werte, Regeln, Normen, Gesetze. Fremdbestimmung aller Orten.

Eben. Der Chef darf uns fremdbestimmen, die Nachbarn und die Straßenverkehrsordnung auch. Aber bei Kindern geht dann das große Lamento los.
Das finde ich ganz schön unfair und egoistisch. Und ganz ehrlich: wenn ich es „wegen der Kinder“ nicht schaffe, mal in Ruhe einen Kaffee zu trinken, dann liegt das eben nicht an den Kindern. Solche Mütter schaffen das mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit (und nach meiner bescheidenen Erfahrung) auch ohne Kinder nicht, aus tausend Gründen. Weil sie nicht in der Lage sind, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, weil sie nicht Nein sagen können, weil, weil, weil, was weiß ich. Aber sicher nicht weil irgendwo zementiert ist dass man für die Kinder 24/7 bei Fuss stehen und sein eigenes Leben komplett aufgeben muss.

Amen. Ich geh jetztn Kaffee trinken.

T wie Toleranz

Ich stelle fest, ich bin ein bißchen hintendran. Vorweihnachtszeit, Familie, Kinder, Krankheiten. Verstehste. Und dann auch noch Geburtstag. (Ich meine, hallo? Geburtstag Anfang Dezember? Das bringt einem ja echt alles durcheinander! Schwiegermutti, da hättste dir aber wirklich mal mehr Mühe geben können. Wenigstens Februar oder so!)
Wo war ich?
Ach ja, die Toleranz. Wo wir grad beim Thema sind…
Nein, mal ganz ernst. Da war ja letzte vorletzte fast schon vorvorletzte (ich sag ja, ich bin hintendran) Woche grad die Themenwoche „Toleranz“ in der ARD. Oder so. „Anders als du denkst“. Ich finde es ja immer so schön, wenn die Medien für uns das Vordenken übernehmen um uns mal zu zeigen, wie das Leben eigentlich geht. Leider komm ich überhaupt nicht zum fernsehgucken, deshalb weiß ich auch nicht wie das Leben geht kann ich zur Ausgestaltung der Themenwoche leider keine Aussage treffen. (Ich hoffe nur schwer, dass kein Spielfilm mit der Frau Maschmeyer, nein, wie hiess sie doch gleich? Ferres! Ja, Ferres wars!- also kein Film mit Frau *ichbintotalbetroffen* Ferres in der Hauptrolle am Start war, um uns Normaldoofen jetzt aber mal eine ordentliche Portion Toleranz beizubiegen, das täte nämlich schwer in die Hose gehen. Also bei mir, meine ich jetzt. Der Frau Ferres ist in der Hinsicht ja nix vorzuwerfen. Schliesslich hat sie vor lauter Toleranz sogar noch den Maschmeyer geheiratet, den alten Drückerkönig. So eine uneigennützige Person. Die Ferres, nicht der Maschmeyer. Ich muss zugeben, soweit ginge bei mir die Toleranz jetzt nicht. So eine komplett verirrte Seele gleich zu heiraten, nur um sie auf den rechten Weg zu bringen. Das wäre ja, als würde jemand Charles Manson… ach, vergesst es.)
Toleranz also. Laut Duden: Duldsamkeit. Das heisst doch im Prinzip, da muss ich was erdulden, ertragen. Ungefähr so: „Boahh, was gehen mir die zwei knutschenden Männer auf den Sack, Verzeihung, auf die Nerven, und diese kreischenden Kinder erst und immer diese verdammten Behindertenparkplätze, meine Fresse, können die nicht woanders einkaufen? Müssen die mir immer die besten Parkplätze wegnehmen? Aber halt, ich bin ja tolerant, also ertrage ich diese Leute jetzt mal, auch wenn ich die alle eigentlich voll Scheisse finde.“
So, oder so ähnlich, kam mir die Plakataktion für die Themenwoche (in diesem Link sieht man die Plakate nochmal gut und auch die schönen Tweets dazu *muuharharhar*) vor.
Haben die Werbeagenturen denn aus vierzig Jahren quälend schlechter Waschmittel- und Ferrerowerbung nix gelernt, um Himmels willen?
ARD-Plakataktion zur Themenwoche Toleranz stößt auf Kritik. Viel Aufregung um Plakate der ARD-Themenwoche "Toleranz". (Quelle: Bayerischer Rundfunk)
Äh, blöde Frage. Ham sie nicht.

Wenn ich mir die Mühe machte, weiter nachzudenken, fielen mir noch sehr viel mehr Plakatmotive ein mit Vorurteilen, die man optisch nochmal richtig schön aufbereiten könnte. Aber die Mühe mache ich mir nicht. Vorurteile sind zum Überwinden da und das schafft man nicht, wenn man sie immer und immer wieder aufwärmt und dadurch weiter verfestigt.

Es interessiert mich nicht, ob Person XY im Rollstuhl sitzt oder nicht. (Das wird höchstens interessant, wenn man sie mal nachhause einladen will und dann feststellt, verdammte Scheiße, seit wann ist hier eigentlich eine Treppe mit dreizehn Stufen und kein Aufzug?) Person XY ist entweder eine Person, mit der ich was anfangen kann und die ich gerne mag, oder es ist jemand mit dem ich nicht so gerne Zeit verbringen möchte. Und wenn ich die Person doof finde, dann will ich nicht wegen der Toleranz Zeit mit ihr verbringen, klar. (Man stelle sich vor, der Maschmeyer würde im Rollstuhl sitzen und dann müßte ich wegen der Toleranz jetzt total nett zu ihm sein, dabei find ich eigentlich dass er ein Arschloch ist. Ein sehr großes. Was für ein Dilemma! Obwohl, dann trifft es das ja mit dem Erdulden…)
Möchte ich denn, dass Leute freundlich zu mir sind NUR weil man ihnen beigebracht hat, dass man tolerant zu übergewichtigen, pickligen und mit einem nervig-infantilen Humor versehenen Mittvierzigerinnen sein soll? Danke, dass ihr mich leben lasst und übrigens, Entschuldigung, dass ich geboren bin, oder wie?
Was ich eigentlich sagen will, ist doch das: es geht gar nicht um Toleranz. Toleranz ist Scheiße, weil Toleranz immer bedeutet, dass man den eigenen Weg als den einzig richtigen ansieht, es aber grad so schafft, alle, die einen anderen Weg toll finden, nicht gleich von der Erdkugel runterzuschubsen. Man toleriert „die“, aber hält sich trotzdem noch für was Besseres, für was NORMALERES.
Und das ist der Punkt. Wer zum Teufel, definiert normal? Die Zeiten, in denen uns die Kirchen vorschrieben, wer oder was normal zu sein hat, sind zum großen Glück vorbei.
Inzwischen haben wir selbst die Freiheit, Normalität zu definieren UND diese Definition, unser Wertesystem, an unsere Kinder weiterzugeben.
Wenn das klappt und alle brav sind, könnte es passieren, dass es in der Zukunft vollkommen egal ist, ob jemand einen Partner oder eine Partnerin hat, welche Hautfarbe oder welche Religion oder gar keine oder wieviel Geld (man stelle sich vor: gleiche Bildung für alle ohne Einkommensnachweis. WoW!) oder zwei Mütter oder 21 Chromosomen oder nur ein Arm oder Räder statt Beine oder wasweißich. Hach.
Es wundert niemanden, das Star Trek meine Lieblingsserie ist, oder? Da funktioniert das schon:
Star Trek beschreibt eine utopische Zukunft, in der die Menschheit enorme soziale und technische Fortschritte erzielt hat. Erzählt werden die Geschichten von Schiffsmannschaften und Mitreisenden auf Raumschiffen und -stationen der wissenschaftlichen und militärischen Sternenflotte. Die Menschheit hat die meisten der heutigen Probleme, wie etwa soziale Ungleichheit, Rassismus, Intoleranz, Armut und Krieg, überwunden. Auch Kapitalismus und Geldfunktion existieren nicht mehr. Die Menschheit ist zu einer globalen Einheit herangewachsen und besiedelt über die Erde hinaus weitere Planeten. Dabei verfolgt sie das Prinzip der friedlichen Koexistenz mit anderen Lebensformen. Die intelligenten Lebewesen im Star-Trek-Universum unterscheiden sich in Bezug auf ihre Ethik und Gesellschaftsform. (Quelle: Wikipedia)
Man wird ja noch träumen dürfen.

Ach, übrigens.
Einmal im Jahr werden Schuhe geputzt. Sicher ist sicher.
Wir wünschen allen einen schönen und entspannten Nikolaustag.
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H wie Homöopathie und Co

Grundsätzlich ist es mir ja völlig wurscht, welcher Heilslehre meine Mitmenschen anhängen und üblicherweise mache ich meine Späße darüber auch nur unter unbedingtem Ausschluß der Öffentlichkeit (ist gesünder so. Die Keulen von den Anthropops tun echt weh und am Ende muss ich noch als Entschuldigung meinen Namen tanzen. Weia!). Soll ja jeder so leben, wie er mag. Oder sie. Es. Whoever. Mir egal.
Also. Homöopathie, Schüßler-Salze, Bachblüten, Chinesische Medizin, Reiki, Akupunktur, KrötenumMitternachtvomFriedhofsammeln, Heilsteine oder wasweißich. Das muß und darf letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Jedem Tierchen sein Pläsierchen, sag ich immer.
Aber bittedanke möchte ich auch mein Pläsierchen haben dürfen, und das heisst bei mir: Geh mir fodd mit dem Kram.
Ich glaube nicht an die Heilkraft von Edelsteinen, ehrlich nicht und wirklich wahr. Ich möchte keine Zuckerkügelchen gegen Kopfweh schlucken, ich hab genug Zucker daheim, danke. Wer versucht, mir oder meiner Familie Chlorbleiche als Wundermittel anzupreisen, kriegt umgehend eins auf die Fresse (10 Cent in die Fluchkasse, dingeling), freundlicher abweisend reagiere ich auf das Angebot der Zuteilung eines Lichtwesens, auch Engel genannt, als Begleitung auf meinem Weg zur kosmischen (oder komischen?) Menschwerdung, danke, aber nein, danke. Sehr freundlich, aber gaga.
Von Megavitamintherapie, Kinesiologie oder Aurafotografie halte ich genausoviel wie von der These, das es im All Leben in Form von kleinen grünen Männchen gibt, nämlich nicht viel (wobei ich mir sicherheitshalber ein Hintertürchen von 0,01% offenhalten möchte. Man weiß ja nie. Wobei- Aurafotografie find ich dann doch zu abgefahren. 100% nein. Megavitamine auch nicht. Und Kinesiologie? Hm. Es wäre ja mal einen Versuch wert, wenn meine Schulterschmerzen vom Aufkleben bunter Washitapes verschwänden. Oder nicht? Aaach, Quatsch! Also ehrlich! Ohne entsprechende Bewegung nutzen auch die besten Washitapes nichts! Und wenn Bewegung hilft, wieso dann noch Klebebänder???)
Verschiedene andere Konzepte wie schamanische Riten, Ayurvedische Ernährung, Körpertherapien und was es noch alles gibt, haben möglicherweise ihre Berechtigung, passen aber grad nicht zu mir und meiner Sozialisation. Später vielleicht.
Zum Arzt gehe ich persönlich also nur, wenn mir was fehlt (oder ich was zu viel habe), meinen Schulterschmerzen versuche ich mit Training entgegen zu wirken (meine Physiotherapeutin ist der Hammer) und ansonsten versuche ich mich ordentlich zu ernähren, genug zu trinken, mich zu bewegen, zu entspannen und nicht zu viel zu missionieren. Das reicht zwar noch nicht ganz für ein perfektes Wohlfühlen, macht aber im Großen und Ganzen eine gute Aura. (No pictures, please.)

Was wollte ich eigentlich? Ach so: Bei alternativen Heilmethoden, die ja nicht umsonst häufig „sanfte Medizin“ genannt werden , entsteht aber offensichtlich bei einigen Eltern der Glaube, es sei ja nur Natur und könne nichts schaden. Daher werden die Kinder bei kleinsten Anzeichen von irgendwas (gerade im Rahmen der zur Zeit äußerst beliebten Homöopathie. Wird ja sogar von den Krankenkassen bezahlt, MUSS ja toll sein!) freigebig mit Kügelchen und Tröpfchen versorgt. Bauchweh, Kopfschmerzen, hingefallen? Müde, unruhig, schlecht gelaunt? Zu schlecht in der Schule, keine Lust auf Sport, Zappelphilipp oder Träumer, frech zu Mama und Papa? Es gibt für alle Eventualitäten des Lebens ein Kügelchen oder fünf. (Bitte unter der Zunge zergehen lassen. Oder auflösen und mit einem Plastiklöffel umrühren. Besser Elfenbein. Aber NIEMALS Metall!). Aconitum und Arnica, Belladonna, Chamomilla, Ferrumsowiesum und wie sie alle heißen.
In Potenzen, die es unmöglich machen, auch nur ein einziges Körnchen Wirkstoff nachzuweisen. Der berühmte Tropfen Urtinktur auf den ganzen Atlantik, das Argument ist ja bekannt. Vielleicht bin ich nur zu einfach gestrickt um den göttlichen/Hahnemannschen Plan dahinter wahrzunehmen, ich kapiere ja auch nicht, WARUM mein Computer funktioniert (FALLS er funktioniert, aber das ist eine andere Baustelle und einen eigenen Artikel wert), aber trotz oder wegen dieser geistigen Einfachheit entfährt mir bei manchen Heilskonzepten ein ungläubiges: wtf?
Sorry, Mädels, aber für mich ist das Hokuspokus. Glaubuli. Glaubt jemand im Ernst, das Wasser ein Gedächtnis hat? H2O?? Echt jetzt? Weiß jemand, wie diese Potenzen hergestellt werden? Verdünnt und immer mehr verdünnt, dabei dreimal nach links und fünfzehn mal nach rechts gedreht und nochmal verdünnt?? (Ja, ich WEISS, das der Prozess extrem vereinfacht dargestellt ist!) Der Heileffekt wird stärker, je weniger Wirkstoff das Medikament enthält???
Wieso kommen mir da des Kaisers neue Kleider in den Sinn?
(Öh… Momentmal. Ob das auch mit gutem Rotwein funktioniert? Ein Glas in den Rhein geschüttet, dreimal hin und her wenden und schwupp, schon haben wir einen 1238 Kilometer langen Spätburgunderstrom. *Hick* Ach, Verzeihung, das war jetzt despektierlich, vollkommen unsachlich und nicht geeignet, einer fruchtbaren Diskussion Vorschub zu leisten. Ich nehm alles zurück. *schäm*)

Eins stimmt ja: von Homöopathika oder auf ähnlicher, glaubensbasierter Grundlage operierenden Schüßler-Salzen, Bachblüten oder der Bioresonanzmethode kann man zumindest erstmal nicht kränker werden. (Von nix kommt ja schliesslich nix *muuuharharhar*! Verzeihung.)
Aber: Wer zu früh den Griff nach Medizin antrainiert bekommt der lernt nicht mehr, sich mit Unwohlsein auseinanderzusetzen. Ein Beispiel: Wer den ganzen Tag nichts trinkt, bekommt Kopfschmerzen. Ursache und Wirkung. Recht einfacher Zusammenhang. Das kann man dem Kind doch bitte auch einfach so erklären? Da kann ich doch erstmal ein Glas Wasser ins Kind schütten, bevor ich mit zauberhaften Globuli anrücke? Ich möchte die Gesundheitspolizei mal sehen, wenn ich dem Kind in dieser Situation erstmal eine 500er Paracetamol einwerfe. Aber Globuli gehen, weil sie ja nicht schaden, oder was? Was ist das denn für eine Logik?
Wenn die Kleinen schon mit drei angelaufen kommen und „Dobuli“ haben möchten weil irgendein Bümbesjen sie drückt, da läuft doch was schief?
Im schlimmsten Fall lernen die Kinder, das es nicht normal ist, sich mal nicht wohl zu fühlen, das man alles, was vom gewünschten, „normalen“ Pfad abweicht, mit Medikamenten bekämpfen muss.
Was für ein Irrtum. Der homöo- oder sonstwiepathische Zauberkasten ersetzt auf gar keinen Fall Feinfühligkeit, Zuversicht, Vorbild, Humor, Selbstwertgefühl, Ernstnehmen und liebevolle Zuwendung. Mit diesen „Medikamenten“ erreicht man schon sehr viel. Wer dann noch Globuli dazuwerfen will: von mir aus. Aber erst dann!
Ehrlich wahr.
Ach so. Aus gegebenem Anlass möchte ich noch dazufügen: Am allermeisten gehen mir bei der ganzen Sache die eifernden MissionarInnen mit der allein seligmachenden Wahrheit auf den Sack, die alles ausser ihrer eigenen Überzeugung strikt ablehnen und vor allem: abwerten. Meine Bloggerfreundin Paula hat einen sehr schönen Artikel zu dieser Art des Umgangs untereinander geschrieben. (www.tragenderolle.blogspot.de) Das wollte ICH eigentlich alles so schreiben *hmpf*, brauch ich aber ja jetzt nicht mehr. Die Quintessenz des Artikels ist prima zusammengfasst in diesem Satz:
Es ist schön, wenn Eltern die für sich perfekte …(hier bitte einsetzen, was einem grad so sehr wichig erscheint) … gefunden haben. Damit einher geht aber weder das Recht, andere zu belehren, zu missionieren, zu kritisieren, zu verurteilen und ihnen zu erzählen, was sie alles falsch machen mit ihrem Baby. Noch die Konsequenz, dass das, was für einen selber passt und perfekt ist, für irgendeinen anderen auch so sein muß.  
 Mit Paulas Leitthema, dem Tragen, habe ich zwar nun leider nicht mehr soviel zu tun (schade, denn das hätte mir und meinem Sohn sicher auch gut getan, aber „dunnemals“ ist das halt einfach an mir vorbeigegangen, und da hab ich auch keinen Stress mit) aber das Prinzip gilt überall:
Es ist wirklich wunderbar, dass du den einzigartigen, irre, prima, tollen Weg für dich gefunden hast. Verkünde das gerne jedem. Aber denke daran, dass jeder seinen eigenen Weg hat und akzeptiere das.
Werte Menschen, die es anders machen, nicht ab! Möglicherweise stellst du irgendwann fest, das DU falsch lagst und der Idiot warst und dann freust du dich über jeden, der NICHT hämisch grinst und sagt: Ich habs dir ja gleich gesagt.

Übrigens. An diesem Artikel kaue ich ja schon Monate rum. Lustigerweise kam mir vorgestern dann zufällig noch die Erfahrung mit einer Heilerin dazu. Eine vage Bekannte von mir, die ich aber ziemlich gut leiden kann, brachte eine Fußballkarte für meinen Sohn vorbei, der leider grade schlapp mit Bauchkrämpfen auf dem Sofa lag. Als sie das erfuhr, sagte sie, sie sei übrigens auch Heilerin, ob sie mal versuchen dürfe, ihm Heilenergie zukommen zu lassen? Ahja. Hä??
Ich bin dann immer nicht so souverän, wie ich es gerne wäre *mist* und stammele zu viel herum, aber der Grundtenor meiner Antwort war: Sorry, da glaub ich jetzt nicht wirklich dran, aber ich weiß, dass er sich über deinen Besuch freuen würde und das alleine ist ja schon heilend wenns einem schlecht geht, also: bitte sehr.
Sie meinte, es könne ja zumindest nicht schaden und das stimmte auch. Sie hat sich lediglich fünf Minuten mit ihm unterhalten und ihn ein bißchen aufgemuntert und als sie ging, sagte sie mir, sie könne Frequenzen sehen, die die meisten Menschen nicht wahrnähmen (es bestünde ja alles aus Schwingungen). Sie habe die Probleme in seinem Darm sehen können (da wunderts mich aber, das sie nicht gleich danebengereihert hat, bei dem Anblick…) und habe sich auf seinem Körper einen „Entry Point“ gesucht, in den habe sie heilende Frequenzen eingeleitet. Vielleicht würde es ja helfen.
Nach dem Motto: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als der Mensch sich träumen lassen kann oder so ähnlich, hab ich das mal freundlich stehen lassen. Auch wenn ich nicht dran glaube: sie tut es, dadurch strahlt sie Ruhe, Zuversicht und positive Energie aus und die ist es, die helfen kann. Die heilt. Positive Energie. Daran glaub ich wirklich.
Leider hat mein Sohn kurz nach ihrem heilenden Besuch gekotzt.
Das verrat ich ihr aber nicht.
🙂
Und leiden kann ich sie immer noch gut.

F wie Fääärnsehn

Als Fernsehen (auch kurz TV, vom griechisch-lateinischen Kunstwort Television) bezeichnet man zunächst ein Massenmedium, das zentral konzipierte und produzierte audiovisuelle Sendungen unidirektional und synchron an ein disperses Massenpublikum vermittelt.
(Quelle: Wikipedia)

Hallo, liebes disperses Massenpublikum.
Könnt ihr bitte mal kurz die Glotze ausmachen und mir zuhören? Danke.
Es ist wirklich erstaunlich, wie viele unterschiedliche Ansichten (und Nicht-Ansichten) zum Thema Fernsehen und Kinder in der Gegend rumschwirren.
Ich habe schon Leute erlebt, die ihre dreijährigen Kinder angeschnallt im Autokindersitz vorm 55-Zoll-Flachbildschirm abstellen, damit sie dann ungestört World of Warcraft am PC spielen können. Familien, in denen der Fernseher niemals AUS gemacht wird, sondern nur leiser. *grusel* Kein Eßtisch in der ganzen Bude, gegessen wird auf dem Sofa. Vor der Glotze.
Oder solche, die mit ihrem dreijährigen Kind darüber diskutieren, wie viel Fernsehkonsum denn nun gut für sie ist und dass sie das jetzt aber nicht nett finden, dass der Leon den Fernseher nicht ausschaltet und stattdessen die Fernbedienung in der Gegend rumschmeisst, dass die Batterien fliegen. Schau mal, Leon, wir hatten doch vereinbart, dass du direkt nach dem Sandmännchen den Fernseher ausschaltest, und jetzt laufen schon fast die Kindernachrichten, Leon, jetzt mach aber doch bitte mal aus. Du kriegst auch ein Eis, wenn du ausmachst. Oder zwei.
Da weiß ich manchmal nicht, was ich schlimmer finden soll. (Nein, Quatsch! NATÜRLICH weiß ich, was ich schlimmer finden soll. Aber um die soll es hier nicht gehen, das ist ohnehin ein vollkommen anderer Ansatz.)

Es gibt immer wieder Erziehungspäpste und -päpstinnen, die einem genaue Regelungen für den Medienkonsum vor die Füße werfen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gibt zum Beispiel folgende Empfehlung heraus (im Internet gegoogelt):
…ungefähre pädagogische Einschätzungen, nach denen Fernsehkonsum für ihre Entwicklung unbedenklich ist:
–    Für 4 – 5-Jährige reichen maximal 30 min. täglich völlig aus.
–    Für 6 – 9-Jährige werden ca. fünf Stunden pro Woche als ausreichend veranschlagt……
…. Die Vereinbarungen über Film- und Fernsehzeiten sollten bei älteren Kindern (ab 10 – 13 Jahren) ein Wochenbudget und keine einheitliche tägliche Höchstgrenze vorsehen, damit sie lernen, ihre Zeiten der Mediennutzung mit den unterschiedlichen Schul- oder Freizeitverpflichtungen an einzelnen Wochentagen zu vereinbaren.

Bei der Vereinbarung von Film- und Fernsehzeiten ist es notwendig, die Zeiten der Nutzung anderer Medien, wie zum Beispiel von Computerspielen, mit zu berücksichtigen.
Was zum Teufel?
Wir leben in einer FAMILIE und nicht in einer Firma. Wieso soll ich meinen Kindern innerhalb der Familie Regeln, Pläne, Vereinbarungen oder Verträge um die Ohren hauen? Das ist genauso falsch wie riesige Plakate mit Regeln im Flur und über dem Tisch. „Ich soll nicht auf den Boden spucken“ „Ich soll Mama nicht treten und zu Papa nicht Arschloch sagen“ usw., weiße Bescheid. Blödsinn.
Wir leben miteinander und kennen einander, da sollten wir doch rausfinden können, was uns gut tut, statt uns von fremden Personen, die rein gar nichts mit uns zu tun haben, Regeln für alles mögliche im Leben vorgeben zu lassen?
Das ist so derart… bürokratisch und … deutsch… *grrr*
(Hinter dieser Medienparanoia steckt für meine Begriffe übrigens immer noch die Urangst, dass sämtliche Medien absolut des Teufels sind und unsere Kinder nur verdummen wollen. Wer zuviel am Computer oder Fernseher sitzt, wird dumm, kriegt schlechte Augen und einen krummen Rücken. Jaja. Und vom Masturbieren wird man blind, is klar. Wir müßten inzwischen längst ein Volk von buckligen, blinden Vollidioten sein.)
Also, wenn wir hier daheim auch für die Erwachsenen eine Medienkonsum-Planwirtschaft hätten, dann müßte ich an manchen Sonntagen den Tatort in der Mitte ausmachen (falls ich theoretisch mal dazu käme, ihn zu gucken), weil ich ja vorher schon gebloggt, meine Zeitung online gelesen UND mit dem Nachwuchs Wii gespielt habe. Und mein Mann dürfte ihn garnicht erst anmachen, den Tatort. Dafuq?
Das unreflektierte Übernehmen von fremden Regeln kann also nicht die Lösung für einen gesitteten Umgang mit der Glotze sein. Im Gegenteil, es muß darum gehen, einen eigenen Umgang damit zu finden.
Dazu sollte man wissen: Fernsehgucken ist tatsächlich für Kinder nicht förderlich. Punkt. Es gibt keinerlei Grund anzunehmen, dass die Glotze unseren Kindern irgendetwas beibringen würde. Im Gegenteil. Das „Lernfernsehen“ ist eine Erfindung von skrupellosen Fernsehproduzenten, die den Eltern das schlechte Gewissen wegstreicheln möchten, um ihre Werbeminuten zu verkaufen damit sie auch weiterhin in ihrem Porsche Cayenne in der Gegend rumfahren können.
Die Zeit, die Kinder, insbesondere bis zum Grundschulalter, vor der Glotze verbringen, ist verschenkte Zeit, in der sie keine Gelegenheit haben, echte Lernerfahrungen zu machen. Es IST ein Riesenunterschied, ob ein Kind Willi, Erik oder Yakari in der Glotze dabei ZUSIEHT, wie sie auf einen Baum klettern oder ob es SELBST auf den Baum klettert. Ob es einer singenden Lillifee zuschaut oder ob es selbst singt.
Nur das selbst Erfahrene, das selbst Erlebte wird in eine echte, nachhaltige Lernerfahrung münden. Die „Informationen“ aus der Glotze wabern nur am kindlichen Gehirn vorbei und werden nicht verankert.
(Ein besonders grausliger Auswuchs des vermeintlichen „Lernfernsehens für Kleinstkinder“ waren die Teletubbies, die heute zum Glück nur noch als Faschingskostüme taugen. Zu Recht. Die Erfinder sollte man ihren Ohren in irgendeinem Dschungel aufhängen. Und weggehen.)
Wo war ich?
Nun, wenn man sich diesen Punkt bewußt macht, dass der Fernsehkonsum keinerlei positiven Lerneffekt auf unsere Kinder hat, dann kommt man doch im Prinzip schon von selbst auf die Idee, dass es keinen Sinn macht, das Kind ständig glotzen zu lassen.
Deshalb muss man aber noch lange nicht zum Paranoiker mutieren, der sein Kind nicht zum Spielen zu den Nachbarn läßt, weil SKANDAL! die Nachbarskinder tatsächlich GLOTZE schauen dürfen.
Denn es ist ein ebenso großes Gerücht, dass Kinder schlagartig vollkommen verblöden, wenn sie jeden Tag das Sandmännchen und vielleicht noch Yakari oder Lauras Stern gucken. Wieso sollten sie das tun, wenn sie genügend Bewegung, Spielkameraden und feinfühlige Gegenüber haben, die mit ihnen gemeinsam durchs Leben gehen?
Natürlich kommt es, wie immer und überall, auf die Dosis an.
Zwei Punkte fehlen uns noch zu einem glücklichen (Fernseh-) Leben:
1. Die Erkenntnis, dass ich als Erwachsener den Hut aufhabe und die Polonäse um die Fernbedienung anführe. Soll heißen: Die Fernbedienung gehört niemals in die Hand der (Klein)kinder (siehe Leon). Keine Diskussion. Wann der Fernseher an und ausgeht, bestimmen die Erwachsenen, nicht die Kinder. Natürlich soll es Absprachen geben, aber auch die müssen Grenzen haben. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wieviele Eltern ihren Kindern die Macht über die Fernbedienung überlassen und dann quengeln, dass sie sie nicht wiederkriegen. Hallo? Nein, kleine Kinder sind NICHT in der Lage zu entscheiden, welche Sendungen in welcher Länge gut für sie sind. Das können nur die Erwachsenen entscheiden, fertich.
2. Was macht das Fernsehen mit dem Kind? Das findet man nur raus, wenn man MIT dem Kind auf dem Sofa sitzt während Sandmännchen, Mondbär und Co über den Bildschirm flimmern. Was bewegt mein Kind besonders, was steckt es locker weg? Damit meine ich nicht, anschliessend eine pädagogisch wertvolle Diskussion mit dem Kind zu führen oder es auszuquetschen was ihm jetzt gefallen hat oder nicht. Blödsinn. Die Kinder senden deutliche Signale, was für sie gut ist und was nicht. Wenn es beim Schauen schon unruhig auf dem Sofa rumrutscht und in der Nacht von Alpträumen geplagt wird, war es vielleicht von der Sendung überfordert. Vielleicht aber auch nicht und es sitzt nur ein Pups quer. Das finden nur die Leute raus, die dem Kind und seinen Signalen mit Liebe und Aufmerksamkeit begegnen.
Und mit ein bißchen Gelassenheit.

Veröffentlicht unter ABC