L wie Lügen

Nein, heute geht es nicht um das Lügen bei bzw von Kindern. Zu dem Thema haben Danielle und Snowqueen vom Blog „Das gewünschteste Wunschkind treibt mich in den Wahnsinn“ einen wirklich guten Artikel geschrieben, ganz ohne blöde Bemerkungen so wie ich das immer mache, sondern richtig ernsthaft und empfehlenswert. Sollte man mal gelesen haben (falls man der Meinung ist, dass die lieben Kleinen sehr böse sind und den Teufel in sich haben wenn sie lügen. Sind sie nicht und haben sie nicht.) Der Blog ist ohnehin sehr empfehlenswert, hatte ich irgendwo schon mal angemerkt, oder?

Nein, heute geht es um Elternlügen.
Neulich im politisch korrekten Öko-Supermarkt. Vor mir an der Kasse eine optisch sehr gut zum Ökosupermarkt passende Mutter mit zwei Kindern, etwa drei und fünf Jahre alt. Die Kinder betrachten all die interessanten Sachen um sie herum, nehmen dies in die Hand, laufen rum, legen jenes wieder hin, rufen „Mama, schau!“ und knistern an den Süßigkeitentüten herum. (Nur mal kurz zwischendurch: Hallo Ökosupermarkt. Ihr seid doch so tolle Menschen, weil ihr nur gute Lebensmittel vertickt die ihren Namen tanzen können, und weil ihr überall auf Bioökonachhaltigkeit, totgestreichelte Tiere und das ganze Trallala Wert legt. Könnt ihr den miesen Trick mit der Quengelware an der Kasse vielleicht mal bleiben lassen? Das ist doch wohl nicht euer behauptetes Niveau.)
Wo war ich? Ach ja. Kasse, Öko, Mutter und zwei Kinder.
Kind Klein befingert während des Wartens an der Kasse also die bunten Bonbon-, Brause- Schoko- und Lutscherverpackungen (während Kind Groß ungestört am Zeitschriftenständer die Zeitungen durcheinanderfleddert. Hmpf.) und zeigt Mama eine buntgetupfte Irgendwasverpackung. Mama zerrt Kind Klein die schöne bunte Verpackung aus der Hand und herrscht es an: Leg das hin! Das ist alles ganz BÄ!! Kind guckt Mama an und fragt: Hokolade? Ja. BÄ! zischt Mama. Lass das liegen, das ist nur für Erwachsene! Da wirste dumm im Kopp von! Kinder werden davon blöd!

Wtf?

(Ich muss zugeben, DER Zusammenhang zwischen dämlichen Kindern Menschen und Süßkram war mir jetzt noch nicht bewusst…)
Es war mir schwer, aber nachdem ich meinen Mund wieder zuklappen konnte, habe ich es geschafft, würdevoll und vollkommen unbeteiligt zu blicken, während die Mutter mit aller Kraft am Grab ihrer eigenen Glaubwürdigkeit schaufelte. (Innerlich habe ich mir natürlich die Haare gerauft und den Kopf auf das Süßigkeitenregal geschlagen (so gesehen wird man wirklich dumm von dem Zeug), aber äußerlich: Pokerface. Ich coole Sau.)
Puh.
Liebe Miteltern: Macht so einen Mist nie. Niemals. Es sei denn, ihr wollt, dass das Vertrauen der Kinder in euch sich Stück für Stück und Lüge für Lüge in Luft auflöst und Frustration und Enttäuschung Platz macht.
(Abgesehen davon hält euch euer Umfeld für… naja, zuviel Süßkram, ihr wißt schon).
Man sehe es mal von der Warte der Kinder: Unsere Kinder sind von uns abhängig, klar. Also hat die Evolution den Nachwuchs mit einem unbedingten Urvertrauen in die Eltern ausgestattet. Feine Sache, das. Egal, was die Eltern an Blödsinn anstellen: Kinder lieben sie bedingungslos und glauben erstmal alles. Erstmal.
Kind Klein aus dem Beispiel wird demzufolge wohl im Moment noch glauben das Süßigkeiten des Teufels sind und man davon dumm wird. Aber der Tag wird kommen, an dem der beste Freund einen Schokoriegel in der Brotbox hat oder an dem Kind Klein zu einem Kindergeburtstag bei der Bentoboxmama eingeladen ist (und DA gibt es garantiert ein Sweet Table dass sich die Balken biegen) und DANN!
Dann wird Kind Klein sich entweder furchtbar blamieren, indem es versucht die bösen Süßigkeiten ins Klo zu spülen um heldenhaft seine Freunde vor der Verdummung zu retten (zugegeben: unwahrscheinlich) ODER es wird begreifen: Das Zeug schmeckt echt gut!
In jedem Fall wird ihm am Ende klar werden: Moment mal. Meine Mama hat mich angelogen. ANGELOGEN.
Und was frustriert und demütigt uns mehr als die Erkenntnis, dass der wichtigste Mensch der Welt uns angelogen hat? Was für ein Vertrauensbruch!
Wo das öfter passiert, macht sich Verunsicherung breit, Verunsicherung führt zu Frustration, Frustration zu Aggression, zu Machtkämpfen und.. ach, am besten sucht ihr schon mal einen Platz im Kinderheim.

Leute. Wir sind uns in der Erwachsenenwelt doch einig, dass Lügen im sozialen Umgang miteinander nicht erwünscht ist. Lügner werden gemeinhin nicht akzeptiert (ok, bis auf einige Politiker. Manager. Und noch so einige. Ups- wenn ich länger nachdenke, wird die Liste lang…) und Kinder bekommen immer wieder gesagt sie sollen nicht lügen. Wieso lügen wir dann die Kinder an?
Man erzählt ihnen aus den verschiedensten Gründen Mist, aber meistens hat es doch was mit unserer eigenen Bequemlichkeit zu tun. Weil wir eine Entscheidung grad nicht begründen wollen oder auch weil wir eine Auseinandersetzung mit unserem Kind fürchten.
Dazu kommt: Zu oft nehmen wir uns nicht mal die Zeit, ihre Äußerungen zu verstehen sondern unterstellen ihnen unlautere Motive, die in dem Moment vielleicht gar nicht existieren.
Ich habe es beobachtet und bin sicher: Kind Klein in meinem Beispiel wollte gar keine Süßigkeiten haben. Es wusste nichtmal, dass das Süßigkeiten sind. Es war nur fasziniert von den Farben und dem Geknistere der Verpackungen und wollte seine Mama daran teilhaben lassen.
Ein wohlwollendes „Ja, das ist wirklich hübsch“ von der Mutter hätte vermutlich dazu geführt, dass das Kind die Verpackung einfach wieder zurückstellt. (Und dann hätte sie Kind Groß aus dem Zeitschriftenständer zerren können. Aber das nur am Rande.)

Es gibt übrigens, wie bei jeder guten These, natürlich Ausnahmen von der Regel.
Selbstverständlich haben wir unser Kind niemals bewusst und schon gar nicht mit irgendwelchen miesen Absichten angelogen. Ts. *pfeif*
Als er aber damals mit ungefähr fünf oder sechs von Opa und Oma zurückkam und uns freudestrahlend von den tollen Comicsendungen berichtete, die auf SuperRTL und in irgendsoeinem anderen Dreckssender liefen, da schauten Papa und ich uns kurz an und bedauerten dann unisono, dass es diese tollen Sender auf unserem Fernseher leider nicht gebe.
Das oder ich hätte die Schwiegereltern erschossen.

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