Happy Birthday

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Heute vor zehn Jahren fuhren wir auf Anraten der Hebamme in die Uniklinik- der Plan war eine spontane Geburt trotz Beckenendlage oder wie das hiess, (Junior weigerte sich aus dem bequemen Sitz koppheister zu gehen) ich habs schon längst vergessen (komisch, als Schwangere und Neu-Mutti sind einem solche Sachen unglaublich wichtig, aber nach ein paar Jahren verwechselt man dann doch so einiges. Ich. Ich jedenfalls. Könnte auch mit meiner unendlich verlängerten Schwangerschaftsdemenz zusammenhängen…).
Wo war ich? Ach ja- bei der netten Dame vom Ultraschall, die uns informierte, dass da wohl ein Kaiserschnitt unumgänglich sei- fünf Tage zu spät und ein halbes Kilo zu schwer für die spontane Geburt, und dann auch noch dieser Schatten im Ultraschall, dabei dachte ich immer, die wüsten, spontanen seien die besten… ach, Schwamm drüber.
Ich verstand sofort und versprach, morgen wiederzukommen und innerhalb von fünf Minuten war ich rasiert (sehr grob und blutig! Meine Schamhaare sind immer noch schockiert. Ja, ich habe Schamhaare! Himmeldonnerwetter.), in grünes Tuch gekleidet und eine sehr nervöse Assistenzärztin versuchte aus meiner Lendenwirbelsäule zwecks PDA einen Schweizer Käse zu machen. Blutige Angelegenheit. Und ein winziges bißchen schmerzhaft…
Ein fremder Mann, ebenfalls in grünes Tuch, Mundschutz und Mütze gekleidet, hielt meine Hand und sprach mir Trost zu. Ich überlegte kurz ob ich meinen Mann (wo war der eigentlich?) bitten sollte, diesem aufdringlichen Typen (unfassbar: baggert mich an, während ich kurz vor der Entbindung stehe) eins vor den Latz zu knallen, als mir aufging: der fremde Mann war gar nicht fremd, es war meiner. So ganz mit grünem Zeug im Gesicht und selbst fast kirre vor Aufregung hatte ich ihn nur nicht erkannt. Kann passieren.
Das ganze blutige Zeugs mit Bauch aufschneiden und Kind aus dem Bauch zerren beschreibe ich mal nicht genauer für die zarteren Gemüter unter uns. Für alle anderen: Kettensägenmassaker Teil 1-3 treffen es ganz gut.
So, und nun wird der Knabe, dessen erste Lebensäußerungen aus einem Häuflein Kacke auf der Hand des Chirurgen (Geburtshelfers? Hebammerich? Wie heisst der, der das Kind aus dem Bauch fummelt?) und anschliessend einem ordentlichen Pinkelpäuschen auf Papas Schoß bestanden, schon zehn Jahre alt. Zehn!
Wir haben, wie jeden Geburtstagsvorabend, die Geschenke eingewickelt und angerichtet mit ein bißchen Tüdelüüt, und wie jeden Geburtstagsvorabend hat Junior so getan, als schliefe er bereits und stattdessen den Geräuschen des Einpackens und Dekorierens gelauscht und sich vermutlich an seiner Vorfreude gewärmt bis er wirklich schlief.
(Er schafft es auch zuverlässig jedes Jahr, ERST seine Eltern zu wecken und dann mit ihnen gemeinsam den Geburtstagstisch zu bestaunen, statt loszurennen und das Papier von den Geschenken zu fetzen. Das hat gewisse Auswirkungen auf unsere Ausschlafzeit, aber gut. Wir waren gewarnt, was das betrifft.)
Sobald die Eltern gähnend ihren Widerstand aufgeben, es nach Kaffee riecht (und ich meine Kontaktlinsen eingesetzt habe) können endlich die Geschenke ausgepackt werden. Dieses Jahr eher die kleinere Variante: ein Spiel für die XBox, zwei kleinere Playmobilsachen, ein Mini-Transformer und das obligatorische Geburtstagsshirt (ein Handy wird folgen, dauert aber noch ein paar Wochen).
Am Nachmittag kommen um die fünfundzwanzig Gäste, alle werden mit Kaffee und Kuchen und später einem Grillbüffet bewirtet. Für die aufziehende Dunkelheit habe ich schon eine Großpackung Knicklichter für die Kids bereitgelegt, es gibt Stockbrot, genug Getränke für alle *hick* und das Leben wird einfach schön sein.
Eben: „Oh, Happy Day!“
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Es gibt Familien, da ist das alles ein unerreichbarer Luxus. Gestern war ich bei einer alleinerziehenden Mutter, deren jüngste Tochter am Sonntag ein Jahr alt wird. Aufgrund von Versäumnissen und Unwissenheit auf verschiedenen Seiten gelang es nicht, den Umzug von der fensterlosen Garagenwohnung in eine etwas größere Wohnung (mit Fenstern, aber noch unterhalb des Mietobergrenze) rechtzeitig nach SGB II (im Volksmund Hartz 4) finanziell abzusichern und nun hat die Mutter seit zwei Wochen kein Geld mehr und leider auch noch keine Antwort auf ihren inzwischen korrekt eingereichten Antrag, da in der Behörde alle hoffnungslos überlastet sind. (Und man auch nicht anrufen oder an der Tür klopfen kann um die Dringlichkeit deutlich zu machen. Nur Schriftverkehr bitte.)
Die Kleine hat natürlich noch überhaupt keine Vorstellung von „Geburtstag haben“ und so wird das Fehlen von Kuchen, Geschenken, Luftballons und Tüdelkram am ersten Geburtstag bei ihr ganz sicher kein Trauma auslösen- (die siebenjährige Schwester hat da schon genauere Vorstellungen wie ein Geburtstag auszusehen hat: Kuchen und Kerzen und Geschenke und Luftschlangen müssen dabei sein. Und das Geburtstagskind ist die Prinzessin!) der Mutter jedoch geht es wie uns allen: sie möchte den Tag zu etwas Besonderem machen.
Also sind wir einkaufen gefahren und ich habe die Mutter genötigt, alles einzukaufen, was sie braucht um zum einen mit Lebensmitteln über die nächsten beiden Wochen zu kommen und zum anderen am Sonntag eine schöne Feier wenigstens mit Kuchen machen zu können. Das ist eine schwierige Sache. Ich kann nicht einfach sagen: Kaufen sie was sie brauchen, ich bezahle alles- denn das ist gönnerhaft und degradiert mein Gegenüber zum Bittsteller.
Zum Glück haben wir ab und zu Menschen, die uns Geld spenden, welches wir ausgeben können ohne den Empfänger benennen zu müssen. Für Notfälle wie diesen, eine Einschulungsausstattung, ein paar Monate Mittagessen in der Kita oder ein Weihnachtsgeschenk vielleicht.
So kann ich auf einen Fonds verweisen den wir für solche Fälle haben, die Spende kommt nicht mehr direkt von mir und die Menschen können sie unbefangener und würdevoller entgegennehmen.
Das hat sie auch getan. Es wird also Geburtstagskuchen geben am Sonntag, dank der Spender.

Ein kleiner Unterschied zwischen diesem und dem Geburtstag unseres Sohnes, oder.
So voller Gedanken darüber, wie ich den Geburtstag für Junior am schönsten gestalten kann (und kaum einen Gedanken daran, was das kostet), wurde mir die Kluft umso deutlicher. Trotzdem werden beide Geburtstagskinder einen wirklich schönen Tag haben, denn das Wichtigste haben sie ja. ❤️?

Aber- Oh verdammt. Luftschlangen. Ich habe die verdammten Luftschlangen vergessen!

2 Gedanken zu „Happy Birthday

  1. happy birthday auch von mir. Schön geschrieben, toll gemacht, Danke Dir
    und Euch als Familie und Deinem Sohn im Besonderen heute wünsche ich ein schönes neues Jahr. liebe Grüße

  2. Alles liebe zum Geburtstag für den Sohnemann und Gruß an die tapferen Eltern.

    Hut ab auch vor dem, was du da für die andere Familie vollbracht hast!

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