#bloggerfuerfluechtlinge

Eigentlich ist das ja ein Zeichen, wenn man wochenlang was zu einem bestimmten Thema schreiben will und die Worte nicht zusammenkriegt. Am besten läßt man es dann ganz bleiben. Will ich aber auch irgendwie nicht. Alsdann.

Unter Fremden fühle ich mich sau-unwohl und zwar gleichgültig, ob sie aus dem Nachbarkaff, Frankreich, Syrien oder sonstwoher kommen.
Mir haben schon als Kind alle Menschen, die komische Sachen aßen, bei denen es fremdartig roch und die auch noch in fremden Zungen palaverten (Also auch die aus dem Nachbarkaff. Oder aus Soxn. *muuhahaha* Kleiner Scherz am Rande) Angst eingejagt, und zwar ganz ohne Rassisten in meinem Umfeld. Da hatte ich ganz alleine völlig unbegründeten Schiß vor- vermutlich hatte ich zuviel Phantasie, keine Ahnung.
(Dass meine italienische Freundin und die jugoslawischen Nachbarn und die Türken drei Straßen weiter auch „Ausländer“ waren, ist mir dabei nicht mal wirklich klargeworden. Die wohnten doch im gleichen Kaff wie ich, wie können die da Ausländer sein?)
Wer hier länger liest, weiß, dass ich auch heute noch nicht freiwillig Urlaub in fremden Ländern mache- es sei denn, ich gewinne die Tickets und besuche meine Freundin, dann darf es auch mal Singapur sein. Aber ich käme niemals auf die Idee, einfach so in ein fremdes Land zu fahren, um Land und am Ende auch noch Leute kennenzulernen. Waahhh! Egal ob Frankreich oder Indonesien. Alleine bei dem Gedanken daran krieg ich schon Schweißausbrüche. Fremde Kulturen? Ja bitte! Aber doch nur im Fernsehen!!
Um mich wohlzufühlen, brauche ich es bekannt und geordnet und alles Fremde bitte nur in kleinen Dosen. Sorry, isso. Kannste blöd finden, ändert aber nix.
(Wenn ich so nachdenke, bin ich vermutlich der fleischgewordene „Bauer, der nix frißt, was er net kennt“.)
Und obwohl ich nun schon seit Jahren auch beruflich sehr häufig mit Menschen aus den verschiedensten Herkunftsländern (die oft sehr wenig Deutsch können) zu tun habe, ist das Verständigen ohne ausreichende (manchmal sogar noch weniger) Sprachkenntnisse, der Umgang mit den fremden Gepflogenheiten, alleine schon das Essen von exotischen Gerichten nicht meine originäre soziale Kernkompetenz und bringt mich ziemlich ins Schwitzen. (Hat schon mal jemand einer pakistanischen Alleinerziehenden mit minimalen Deutschkenntnissen den ALG II Antrag erklärt? Eben.)
Trotzdem bin ich nicht so sehr besorgt wegen der Welle von Flüchtlingen, die da auf uns zurollt. Ja, natürlich ist das eine Herausforderung. Da sind auf jeden Fall einige Vollpfosten dabei- Arschlöcher gibt es überall. Aber auch die ganz normalen Menschen ohne Arschlochfaktor kommen mit ihrer jeweiligen Sozialisation und die unterscheidet sich ja teilweise wesentlich von unserer. Besonders die Menschen aus den sehr armen, bildungsfernen Ländern oder Krisengebieten werden Schwierigkeiten haben mit der Integration. (Ich glaube übrigens nicht, dass es per se „der Islam“ ist, der die Integration erschwert. Das ist völliger Blödsinn. Erst mit der Abwesenheit von Bildung wird aus jeder Religion ein Problem. Das ist beim Christentum nicht anders, siehe: Kreationismus. Oder, ganz aktuell und unfassbar: hier.)

Es wäre natürlich vollkommen naiv, so zu tun als würde das alles problemlos laufen können. Um den Problemen entgegenzuwirken die sich aus der gegensätzlichen Kultur, Sozialisation, nenneswieduwillst ergeben ist Aufklärung notwendig. Aufklärung, Bildung, Information. Für beide Seiten. Aber bitte sachlich, höflich und nicht herablassend.
Ich kann die Motive des Hardheimer Bürgermeister sehr gut nachvollziehen, der Benimmregeln für die im Ort untergebrachten Flüchtlinge verfasste, leider in einer ganz und gar nicht akzeptablen abwertenden Grundhaltung. Wer aber darüber nachdenkt, was 1000 Flüchtlinge bei 4600 Einwohnern ohne angemessene Infrastruktur (und ich meine: angemessen!) für die Einwohner (und die Flüchtlinge, aber das steht auf einem anderen Blatt) bedeuten können, hat vielleicht ein wenig Verständnis für die polemische Umsetzung. Hilfreicher wäre für die Menschen in Hardheim (und ganz Deutschland) aber vermutlich eher diese Informationsbroschüre: der Refugeeguide. Die wichtigsten Informationen darüber wie das Leben in Deutschland funktioniert, welche kulturellen Regeln und Codes im Zusammenleben gelten, eingeteilt in verschiedene Kapitel wie „Öffentliches Leben“, „Gleichberechtigung“, „Essen, Trinken und Rauchen“ usw. Und das alles in einer sachlichen, wertschätzenden Sprache abgefasst- fantastisch. Für meine Begriffe dürfte der Guide auch durchaus noch erweitert werden um so viele Themen, aber es ist schon mal ein sehr sehr guter Anfang. (Ich fand es sehr interessant, wie wir Deutschen eigentlich so sind. Manches war mir auch neu *hust*. Kann man diese Broschüren bitte auch bei der nächsten Pegidademo als Zwangslektüre verteilen? So ein paar Dinge könnte man den Vögeln da auch mal wieder in Erinnerung rufen…)
Überhaupt: die Wertschätzung ist meiner Meinung nach doch das Wichtigste. Das „die Flüchtlinge“ anders aussehen, anders sprechen, sich anders kleiden und/oder eine andere Religion haben als ich selbst, wertet sie doch nicht automatisch ab. Man muss doch jedem Menschen erstmal mit Höflichkeit und Respekt und einer positiven Grundeinstellung begegnen- bringen wir unsern Kindern schliesslich auch bei. Die meisten Deutschen tun das ja gerade auch. Respekt und Wertschätzung für andere Menschen zu zeigen, bedeutet doch nicht, dass man sich selber klein macht und abwertet. Und der ganz überwiegende Teil der Menschheit reagiert auf Respekt und Wertschätzung mit? Respekt und Wertschätzung. Isso. (Pegida und IS ausgenommen, die gehören nicht zur Menschheit. Nicht zu meiner jedenfalls. )
Und by the way: das ist kein pädagogisches Multikultigesabbel. Ich kann einem Menschen durchaus mit Respekt und Wertschätzung begegnen und trotzdem unsere Regeln und Gesetze benennen und zwar völlig unabhängig von der Hautfarbe oder der Herkunft. Wieso denn auch nicht? Das Leben ist kein Ponyhof und man kann doch klar und offen sagen, das dieses oder jenes nicht erwünscht oder nicht erlaubt ist. Das gibt doch auch Sicherheit. Deswegen muss ich das doch um Himmelswillen nicht so formulieren als hielte ich alle Flüchtlinge von vorneherein für Verbrecher.
Das es ausgerechnet unsere Politiker, allen voran Herr Seehofer und Herr de Maiziere nicht schaffen, in dieser Frage ein Vorbild zu sein, finde ich einfach nur: PFUI!
Die obersten Krisenmanager versagen in dieser Situation für meine Begriffe vollkommen und machen sie so erst zu einer Gefahr für mein Deutschland, weil sie die ganzen Dummbrote vom rechten Rand geradezu ermuntern mit ihren Polemisierungen. In einem sehr guten Artikel (ich weiß leider ums Verplatzen nicht mehr, von wem) habe ich vor einiger Zeit gelesen: wenn sogar die Politik offen einen Schritt nach rechts macht, macht ein großer Teil der Gesellschaft auch den Schritt mit, weil: „man wird ja noch sagen dürfen, sagen die da oben ja auch“. Ein Ergebnis sind zum Beispiel die Pegida-Demonstrationen, wo Leute ganz ungeniert und ungestraft ihren antidemokratischen Dreck verbreiten. Und diejenigen, die sowieso schon ganz am rechten Rand stehen, gehen den einen Schritt halt auch mit: von der undemokratischen, populistischen Hetze und Stimmungsmache hin zur gewalttätigen „Gegenwehr“, weil: die da oben haben ja schliesslich auch gesagt, dass das nicht in Ordnung ist, also fühlen sie sich legitimisiert und geradezu beauftragt zu Angriffen auf Flüchtlinge und Flüchtlingsheime.
DAS macht mir Angst. Das von „da oben“ kein eindeutiges, klares Signal kommt, nur Herumgeeiere und Geschwafel.
Statt mal dafür zu sorgen, dass es für alle Flüchtlinge Informationsbroschüren gibt wie den oben erwähnten Refugeeguide. (Erweitert bitte um eine muttersprachliche Anleitung zum Ausfüllen der diversen Anträge, dann muss ich das nicht immer machen. Ich hasse Anträge ausfüllen!) Wofür haben wir denn ein Bundesamt für Migration? Das ist Arbeit, die hätte längst erledigt sein müssen!
Genügend Helfer und Personal für Sprach- und Integrationskurse einstellen, Unterkünfte ausbauen, Wohnungen anmieten undsoweiter. Die notwendigen Gesetze ändern, damit die Leute schnellstens in Lohn und Brot kommen und nicht in den Unterkünften abhängen müssen- Das ist doch alles nicht unmöglich.
Und erzähl mir keiner, das wäre nicht finanzierbar. In die Hölle kommt ihr für eure Lügen! Arme, notleidende Banken retten geht. Abstürzende Drohnen, heißlaufende Gewehre, Flughafenruinen, Bahnhofskatastrophen finanzieren geht auch locker aus der Hüfte. Abermillionen raushauen für die „Sicherheit“ von ein paar Hanseln beim G7, 8 oder sonstwieviel Treffen, die ruhig einfach auch mal eine verdammte Telefonkonferenz für einen Bruchteil des Geldes hätten machen können, das geht natürlich auch.
Aber Menschen anständig unterbringen geht nicht?
Was für eine Schande.

Wer etwas spenden möchte, ist hier bei Blogger für Flüchtlinge bestens aufgehoben. Hier werden auch verschiedene Projekte vorgestellt, zu denen man beitragen kann. (Die nächste freie Stunde Zeit werde ich zum Beispiel mal nutzen um mir den Blog „DaF für Flüchtlinge“ anzuschauen. Klingt interessant.)
Es gibt so viele tolle Ideen und Projekte, zu denen man was beisteuern kann, egal wohin man schaut. Am besten in die Lokalzeitung, da gibt es sicher was in der Umgebung.

„Können wir das schaffen? Yo, wir schaffen das!“
Bob der Baumeister.
(In jedem von uns sollte ein bißchen mehr Bob stecken.)

2 Gedanken zu „#bloggerfuerfluechtlinge

  1. Doro, mir fehlen seit Wochen die Worte zur der ganzen Situation, die wir momentan erleben, und du hast sie gerade gefunden. Du sprichst mir so aus der Seele…ich habe vor Wochen für mich entscheiden, mich aktiv und ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren…und ich kann dir sagen, trotzdem ich gerne in der Welt rumreise, um fremde Völker und deren Leben kennen zu lernen, hatte ich Riesenhemmungen vor dem ersten Treffen mit Flüchtlingen…und ehrlich, es lag nicht daran, dass sie vielleicht “ fremd“ sind/waren, sondern eher die Angst, noch mehr und intensiver von ihren Erlebnissen in ihrer Heimat und während der Flucht mitzubekommen…ich kann nicht verstehen, wie einen das nicht berühren kann…alleine die Vorstellung, uns würde hier so etwas passieren, treibt mir die Tränen in die Augen, wie achtlos unsere Politik und viele Menschen in meiner Umgebung „die Flüchtlinge“ behandeln…für mich sind es Menschen wie du und ich, Frauen, Männer, Kinder, die sich ihr Schicksal garantiert nicht so ausgesucht haben und wir befinden uns in der glücklichen Lage, ihnen helfen zu können…ich bin davon überzeugt, dass diese Zeit, die wir gerade erleben, auch für uns etwas Wichtiges ist, was nur ein „Gewinn“ in vielen Bereichen für uns sein kann…insbesondere lernen wir wieder die Achtung vor jedem Menschen, egal welcher Herkunft, Religion, Hautfarbe etc. Danke für deine tollen Worte <3 Herzliche Grüße Sandra

  2. Ach, Doro…
    ich LIEBE dich!
    Habe ich dir das denn schon mal gesagt? 😉

    Danke, dass du es doch noch geschrieben und veröffentlicht hast. ♡

    Ich bin das ziemliche Gegenteil von dir:
    Gerne in fremden Ländern, probiere gerne fremde Speisen aus, mag andere Sprachen und habe mit fremden Menschen an sich auch kein Problem.
    Aber ich mag nichts und niemanden in Massen. Ein Haufen Jugendlicher auf einen Fleck, Gewühle im Kaufhaus oder vielleicht eine ganze Gruppe fremdenländisch aussehender Menschen, die mir entgegenkommen, schon fühle ich mich unwohl.
    Aber auch wenn das so ist, ist das alleine MEIN Problem und hat nichts mit den jeweiligen Menschen zu tun. Und es hindert mich auch nicht daran, Menschen in Not zu helfen, denn diese können ja nichts für MEINE verqueren Befindlichkeiten.

    Und genau das ist der Punkt für mich.
    Würden die Leute sich nicht von ihren diffusen Ängsten ins Bockshorn jagen lassen, hätten wir viele Probleme erst gar nicht. Meine Meinung.

    Danke nochmal. Und wo ist der doofe „Gefällt mir“- Button, wenn man ihn einmal braucht? 😉

    Lieben Gruß
    Sabine

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